Europäische Inhalte im Wertesystem amerikanischer Videoplattformen

Urheberrecht/Telemedienrecht

Urheberrecht/Telemedienrecht

Die Idee einer deutschen Super-Mediathek erhält nun auch durch Tele5 neuen Auftrieb

Seit der Absage von ARD und ZDF im Jahr 2013 war es still geworden um das Konzept einer gemeinsamen deutschen Großmediathek, welche – so die Idee - dem Publikum senderübergreifend den Zugriff auf die großen und schönen Kataloge des deutschen Fernsehens ermöglichen sollte. Die Hürden des Bundeskartellamtes wurden damals von den Öffentlich-Rechtlichen als zu hoch bewertet, da eine preisliche und damit wettbewerbswidrige Koordination bei einer gemeinsamen Unternehmung im Raum stand.

Bereits ein Jahr zuvor hatte das OLG Düsseldorf mit seinem Beschluss vom 08.08.2012 (Az. VI-Kart 4/11 V) die Rechtsansicht der Kartellbehörde zu einer gemeinsamen Streaming-Plattform bestätigt und auch ein entsprechendes Gemeinschaftsvorhaben der Privatsender ProSiebenSat1 und RTL unterbunden.

Nun hat sich kürzlich im Zusammenhang mit der neuen Vorstandsaufstellung bei ProSiebenSat1 deren langjähriger General Counsel, Conrad Albert, zu Wort gemeldet. Er befürwortet nach wie vor die Schaffung eine großflächigen Alternative: „Ich begrüße die Idee. Wir brauchen deutsche und europäische Alternativen zu Netflix, Amazon Prime oder YouTube. Wir müssen mehr gemeinsam Hand-in-Hand machen, gerade auf der Inhaltsebene. Hier liegt unsere Kraft.“

Auch Springer-Chef Matthias Döpfner wünscht gemeinsame Inhaltsangebote und die öffentlich-rechtlichen Sender sind über die Hürden des Kartellamts bis heute unglücklich.   

Es liegt nahe, diese Aussagen in einen Kontext mit der aktuellen „Fuck Youtube!“-Botschaft des Tele5-Geschäftsführers Kai Blasberg zu setzen, der in einer beispiellosen Direktheit am 31. Juli dem Tochterunternehmen von Alphabet/Google die rote Karte gezeigt hatte..

Während die großen Sender vor allem die kommerzielle Konkurrenz von Netflix, Amazon und zukünftigen Bezahlangeboten von YouTube fürchten, hat Tele5 den Amerikanern aus Gründen der Zensur den Rücken gekehrt. Vorausgegangen war ein Streit über ein Video mit nackten Frauenoberkörpern. In solchen Fällen neigen die Sittenwächter US-amerikanischer Konzerne gerne einmal zu einer „Zero-Tolerance“-Politik.

Bei beiden Ansätzen muss sich die deutsche Politik mit ihrer Gesetzgebungskompetenz erneut die Frage stellen, ob nationale rechtliche Restriktionen im Umbruch von Mediennutzungen seit vielen Jahren innovationshemmend wirken. So wurde in der Vergangenheit aus einem medienpolitischen Interesse heraus § 36 Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 Gesetz gegen Wettbewersbeschränkungen (GWB) als sogenannte „Pressesanierungsklausel“ geschaffen. Sie ermöglicht seit Mitte 2013 den Zusammenschluss von Zeitungsverlagen unter vereinfachten Bedingungen. Gemeinsame Initiativen im Bereich neuer Medien scheitern indes oft schon im Keim an der Generalklausel des § 36 Absatz 1 Satz 1 GWB.    

Wir meinen, die deutsche aber auch die europäische Gesetzgebung ist aufgefordert, einen Boden dafür zu bereiten, dass lokale, nationale und europäische Unterhaltungsangebote im Wettbewerb den Angeboten aus der Neuen Welt auf Augenhöhe begegnen können. Das Kartell- und Urheberrecht sind dabei miteinander verzahnt. Denn es geht nicht nur um Marktbeherrschung, sondern auch um die Frage, ob und wie weit sich geschickte Angebotsformen aus den USA durch die Ablehnung urheberrechtlicher Verantwortung über Jahre hinweg Wettbewerbsvorteile verschaffen können. Denn wer auf YouTube ein Video mit Inhalten Dritter live stellt, muss bis heute weder Sanktionen von YouTube selbst, noch einen geldlichen Schadensersatz für entgangene Lizenzvergütungen fürchten. Mehr als ein kurz anmoderierter „Take Down“ droht nicht. Zudem ist die noch immer weit verbreitete Anonymisierung der Uploader bis heute der Schlüssel zur Nicht-Angreifbarkeit von YouTube und deren Klientel, wo es die amerikanische Administration sonst nicht ganz so ernst nimmt mit dem Datenschutz. Eine Art Verbreitungsluxus durch den Fingerzeig auf einen Dritten, der nicht visibel ist. So etwas können sich Sender oder Plattformbetreiber in Deutschland nicht leisten. Auch daran sind nationale Streaming-Angebote wie MyVideo, Clipfish oder Sevenload in der Vergangenheit gescheitert.

Es geht nicht einmal um das Pro und Contra, um das Zulassen oder Verbieten bestimmter Plattformpraktiken. Dazu bleibt es spannend, weil der BGH noch immer keine Urteil zur direkten urheberrechtlichen Haftung von YouTube gefällt hat. Vielmehr muss es gelingen, mit einfachen Formeln gleiche Wettbewerbsbedingungen in technischen aber auch in Haftungsfragen für alle herzustellen. Was der eine darf oder nicht darf, muss auch dem anderen verwehrt sein. Scheitert dies, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn mit der Angebotsüberlegenheit aus Übersee auch der kulturelle Wandel unserer Wertevorstellungen in der Medienlandschaft durch die USA weiter geprägt und voranschreiten wird.

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