BGH mit neuem Urteil zu Kraftwerks "Metall auf Metall"

Urheberrecht

Urheberrecht

BGH spricht zu „Metall auf Metall“
Warum das für das Ohr wiedererkennbare Sampling verboten bleibt

Mit Presseerklärung vom heutigen Tag hat der BGH sein heutiges Urteil „Metall auf Metall IV“ (Az I ZR 115/16) einschließlich der Zurückweisung in die Tatsacheninstanz, das OLG Hamburg, zum Rechtstreit zwischen Kraftwerk und Moses Pelham bekanntgegeben. Damit geht der langjährige Prozess, der sich bis zum EuGH hochgeschaukelt hatte - wir berichteten - in eine neue Runde.

Hinsichtlich der Tonträgerherstellerrechte war eine Verletzung des Vervielfältigungsrechts der klagenden Mitglieder von Kraftwerk gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG zu prüfen.

Der BGH hat diesbezüglich in seinen Hinweisen für das neue Berufungsverfahren zunächst einmal erkennen lassen, dass das Vervielfältigungsrecht der Kläger nicht verletzt sein dürfte, weil naheliegt, dass sich die Beklagten auf eine freie Benutzung im Sinne des hier entsprechend anwendbaren § 24 Abs. 1 UrhG berufen können. Sie dürften mit dem Musikstück "Nur mir" ein selbständiges Werk im Sinne einer sogenannten „Freien Benutzung“ geschaffen haben. Da es sich bei der von den Beklagten entnommenen Rhythmussequenz nicht um eine Melodie im Sinne des § 24 Abs. 2 UrhG handeln dürfte und eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift, also des sogenannten „starren Melodienschutzes“ nicht in Betracht kommt, dürften die Voraussetzungen einer freien Benutzung gegeben sein.

Hierzu ist relevant, dass das Bundesverfassungsgericht festgelegt hatte, es müsse für künstlerische Schaffensprozesse möglich bleiben, nicht jede Form der Verwendung vorbestehender Tonaufnahmesequenzen von der Erlaubnis des Tonträgerherstellers abhängig zu machen. Vor dem Hintergrund dieses verfassungsrechtlichen Richterspruchs gibt der BGH nun seine Ansicht auf, wonach eine mit Verweis auf § 24 Abs.1 UrhG „freie Benutzung“ von Tonaufnahmen immer dann kategorisch ausgeschieden ist, wenn es für den neuen Künstler möglich ist, die auf dem Tonträger aufgezeichnete Sequenz selbst neu einzuspielen.  Freilich war diese ursprüngliche Ansicht des BGH durchaus konsequent, da sie dem wirtschaftlich motivierten Leistungsschutzinteresse des Tonträgerherstellers auf absolute Rechtsinhaberschaft über das von ihm organisierte und finanzierte Gut, nämlich die Tonaufnahme, den Vorrang gegenüber dem „Aufnahmeklau“ unter dem Deckmantel von § 24 Abs.1 UrhG einräumte. Doch ließ sich diese starre Ablehnung von § 24 Abs.1 UrhG im Lichte des Urteils des BVerfG nun nicht mehr aufrecht halten.

Bis zu diesem Punkt kann Moses P. sich also vorerst zurücklehnen. Allerdings kommt angesichts der EU-Richtlinien konformen Anwendung des UrhG für Vervielfältigungshandlungen ab dem 22. Dezember 2002 doch eine Verletzung des Vervielfältigungsrechts von Kraftwerk in Betracht. Denn ab diesem Zeitpunkt ist auch nach Ansicht des BVerfG die Anwendung des § 85 UrhG entlang des Unionsrechts einschließlich der durch dieses gewährleisteten Grundrechte auszugestalten und nicht am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes.

Nach der EuGH Rechtsprechung aber ist die Vervielfältigung eines - auch nur sehr kurzen - Audiofragments eines Tonträgers durch einen Nutzer zunächst einmal stets als eine Vervielfältigung im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG anzusehen. Eine Vervielfältigung im Sinne der genannten Richtlinie liegt nach Unionsrecht nur dann nicht vor, wenn ein neuer Künstler oder Produzent in Ausübung seiner Kunstfreiheit einem Tonträger ein Audiofragment entnimmt, um es in geänderter und beim Hören “nicht wiedererkennbarer Form” in einem neuen Werk zu nutzen. Wir hatten in unserem vorherigen Blog zu diesem Spruch des EuGH bereits angemerkt, dass diese Konstellation in der Praxis kaum zu Streit führen dürfte, da der originäre Rechteinhaber ja nur dort seine Rechte durchsetzt, wo er seine Originalaufnahme wiedererkannt hat.

Der BGH lässt dazu in Bezug auf „Metall auf Metall“ mitteilen, dass nach diesen Maßstäben des EuGH die streitgegenständliche Entnahme von zwei Takten der Rhythmussequenz aus dem Kraftwerk Masterband und der Einbau des Samples in den Sabrina Setlur Titel „Nur mir“ eine Vervielfältigung darstellt. Denn bei der Prüfung der Frage, ob ein von einem Tonträger entnommenes Audiofragment in einem neuen Werk in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form genutzt wird, sei auf das Hörverständnis eines durchschnittlichen Musikhörers abzustellen. Und das Berufungsgericht habe insoweit rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Produzenten von „Nur mir“ die Rhythmussequenz von Kraftwerk zwar in leicht geänderter, aber beim Hören doch wiedererkennbarer Form übernommen haben.

Kurzum: Durch diese richtlinienkonforme Feststellung der Berufungsinstanz ist nach Unionsrecht in Verbindung mit § 85 UrhG dem Beklagten Moses Pelham eine Berufung auf eine freie Benutzung nach § 24 Abs.1 UrhG verwehrt.

Interessant ist noch, dass der BGH auch einer Schrankenanwendung eine Absage erteilt hat. Die Voraussetzungen eines Zitats im Sinne des § 51 Satz 1 und 2 Nr. 3 UrhG lägen nicht vor, weil kein Anhaltspunkt dafür bestehe, dass die Hörer - wie für ein Zitat erforderlich - annehmen könnten, der dem Lied "Nur mir" unterlegte Kraftwerk Rhythmus sei einem fremden Werk oder Tonträger entnommen worden. Das übernommene Audiofragment sei auch kein unwesentliches Beiwerk im Sinne des § 57 UrhG und auch weder Parodie noch Karikatur.  

Die Sache ist nun vor allem wegen der zeitlichen Abgrenzung an das OLG Hamburg zurückverwiesen worden. Insoweit war dem BGH ein abschließendes Urteil verwehrt, da die Berufung  keine Feststellungen dazu getroffen hatte, ob Moses Pelham den Vertrieb des Setlur Titels nach dem 22. Dezember 2002 ernsthaft fortgesetzt hat oder dies konkret zu erwarten war. Denn immerhin waren im Lichte einer Auslegung nach dem Ansatz der Kunstfreiheit des BVerfG die Samplingnutzungen von Moses P. vor dem 22. Dezember 2002 rechtlich nicht zu beanstanden.

Im Ergebnis wird das heutige Urteil als Aufwertung bzw. Verfestigung des starken Tonträgerherstellerrechts der Musikproduzenten gewertet. Auch der Bundesverband Musikindustrie hat sich beruhigt und zufrieden über den Richterspruch aus Karlsruhe geäußert.

Unser Praxistipp: Nach wie vor: Die Nutzung von Samples aus vorbestehenden Aufnahmen im Zweifel immer beim Originalinhaber anfragen.

Kontaktieren Sie uns zum Thema "Sampling von Musik"