Bandübernahmeverträge und die Lizenz an der Tonaufnahme

Urhebervertragsrecht

Urhebervertragsrecht

Hier ist mein Link zur Musik!”
Auch im digitalen Zeitalter bleibt der Bandübernahmevertrag das zentrale Lizenztool der Tonträgerindustrie

Ein Schallplattenlabel ist inzwischen primär Streaminglabel. Zwar erlebt die Vinylschallplatte seit einigen Jahren eine beachtliche Renaissance. Umsätze machen die Firmen und Künstler inzwischen aber primär im Netz bei Spotify, Deezer, Apple und Amazon. Auch die CD ist im Sinkflug, und Deutschland einer der letzten Märkte weltweit, in denen der Abverkauf physischer Trägermedien noch einigermaßen gut läuft. Dennoch bleibt der Tonträgerhersteller ein Tonträgerhersteller, denn auch digital werden Tonaufnahmen auf irgendeinem Trägermedium festgehalten, sei es eine Festplatte, ein USB Stick oder ein Speicherplatz in der Cloud.

Etwas antiquiert wirkt dagegen der Begriff des „Bandübernahmevertrages“, da Künstler und Produktionshäuser heutzutage nur noch sehr selten ein echtes Tonband bei dem Label abliefern. Gleichwohl ist und bleibt der Bandübernahmevertrag mit eben dieser Bezeichnung das zentrale Vertragskonstrukt in der Musikindustrie. Dies liegt daran, dass Künstler seit langem kaum noch durch Künstlerexklusivverträge direkt an ein großes Label gebunden werden, sondern sich zunächst an kleinere Einheiten, z.B. Produktionsstudios, kleine Labels oder Managements binden, um von diesen sodann einschließlich der fertigen Aufnahmeproduktion an die großen Vertriebsunternehmen, wie Universal Music, Sonymusic oder Warner vermittelt zu werden. Wir fassen die wichtigsten Punkte der Bandübernahmelizenz zusammen: Eine Lizenz ist ganz allgemein die Genehmigung, einen Gegenstand, also ein Recht oder einen körperlichen Gegenstand, hier die Tonaufnahme bzw. den Tonträger, auf eine bestimmte Art wirtschaftlich zu nutzen. Die existenziellen Parameter einer Tonträgerlizenz lassen sich immer an einer Hand abzählen:

-      Gegenstand der Lizenz

-      Räumliche Reichweite der Lizenz

-      Zeitliche Reichweite der Lizenz

-      Inhaltliche Reichweite der Lizenz

-      Vergütung für die Auswertung der Lizenz  

Gegenstand der Lizenz
Bei der Bandübernahme werden fertige Tonaufnahmen in genau zu bestimmender Güte und Zahl geschuldet. Die Parteien regeln, ob zunächst nur eine Single, also eine Aufnahme von nur einem Titel (ggf. mit Remixen) oder bereits ein ganzes Album abgeliefert werden soll. Regelmäßig enthält der Vertrag den optionalen Zugriff auf einige weitere Produktionen.

Bei der Bandübernahme werden oft zwei Gegenstande lizenziert: Zum einen das Recht, für einen bestimmten Zeitraum, exklusiv auf das Repertoire des Rechtegebers zugreifen zu können und zum anderen das Recht, die unter dem Vertrag abgelieferten Aufnahme exklusiv auswerten zu dürfen. Es gilt, diese beiden Gegenstände stets scharf voneinander abzugrenzen. Dadurch vermeidet man zum Beispiel, die Vertragsdauer (Zeitraum der exklusiven Bindung) mit der Auswertungsdauer (Zeitraum des exklusiven Repertoirevertriebs) zu verwechseln oder miteinander zu vermengen.

Möchte die Tonträgerfirma weitere Rechte erwerben, z.B. an Videomaterial oder an Image und Likeness des Künstlers zu Merchandisingzwecken, so müssen alle Gegenstände klar aufgeführt werden. Nur sehr grundlegende Rechte an der Namensnutzung und am Cover-Artwork gelten im Zweifel als inzident miteingeräumt, um dem Hauptrecht zum Vertrieb zu dienen.

Räumliche Reichweite
Je nach Auswertungszweck und den Machtverhältnissen der Parteien werden die Rechte entweder weltweit oder nur für begrenzte Gebiete eingeräumt. Während früher die territoriale Begrenzung aufgrund des physischen Absatzmarktes eine große Rolle spielte, galt sie zwischenzeitlich als nahezu obsolet, da das Internetgeschäft alle Grenzen aufzuheben schien. Inzwischen sind territorial begrenzte Lizenzen aber wieder auf der Tagesordnung. So versprechen sich Bandinhaber oft ein optimiertes Marketing davon, dass Lizenzen an ihren Aufnahmen je Region an unterschiedliche Labels („lokale Player“) gehen. Gerade im Bereich von Dance Music oder Jazz werden oft lokale Spezialisten zur Lizenzvergabe direkt angesteuert. Auch das Geoblocking von Streaminganbietern ermöglicht es technisch, die Verfügbarkeit der Musik geographisch abzustufen. Eine selektive Verfügbarkeit innerhalb des gemeinsamen EU-Marktes scheidet jedoch aufgrund des freuen Warenverkehrs aus. Spannend bleibt, ob und wann es hier zu Änderungen durch den Brexit kommt, da noch immer viel erfolgreiche Musik aus UK stammt. Die Major Labels legen so oder so regelmäßig Wert auf eine weltweite Lizenz.    

Zeitliche Reichweite
Eine Übertragung der Tonträgerrechte für die Dauer der Schutzfrist, siehe § 85 Abs. 3 UrhG, ist inzwischen weitgehend unüblich, es sei denn, das Machtverhältnis bei den Verhandlungen erlaubt hier keine Einschränkungen. Investiert das Auswertungslabel viel im Bereich des Vertriebsmarketings, z.B. durch Werbeanzeigen oder Radio- und TV-Promotion, so kann eine lange Laufzeit freilich der besseren Chance zur Amortisierung dieser Kosten dienen. Auch wird man lange Laufzeiten dort finden, wo hohe Vorschüsse auf die Bandübernahmelizenz geleistet werden. Letztlich ist die Laufzeit eine Frage der Verhandlung, sie kann in einem weiten Radius beispielweise zwischen drei und 20 Jahren vereinbart werden.  

Ganz wichtig ist hier abermals, die Dauer des Vertrages von der der Auswertungszeit abzugrenzen. Findet sich diese Differenzierung nicht, so endet das Recht zur Auswertung der Aufnahme im Zweifel bereits mit dem Ende der Vertragslaufzeit.  

Inhaltliche Reichweite
Die inhaltliche Ausgestaltung der Lizenz nimmt den größten Platz in einem Bandübernahmevertrag ein. Unter ihr müssen alle Eigenheiten zu dem gefasst werden, was der Rechtnehmer alles darf und was er ggf. zu unterlassen hat. Hier geht es auch um Zustimmungsrechte zu einzelnen Verwertungsthemen, wie z.B. Lizenzvergaben für die Bewerbung von Drittprodukten oder auch die Zustimmung zum Veröffentlichungsdatum.

Kern der inhaltlichen Ausgestaltung ist zunächst der Rechtekanon an den Tonträgeraufnahmen. Grundsätzlich werden in der Bandübernahme alle Rechte exklusiv eingeräumt, die eine ungestörte und alleinige Auswertung, also Veröffentlichung, Vervielfältigung, Verbreitung auf allen Trägermedien sowie Zugänglichmachung, Sendung und öffentliche Wiedergabe in allen Medien und die Ziehung sämtlicher Früchte daraus im eigenen Namen und für eigene Rechnung des Lizenznehmers ermöglichen. Regelmäßig überträgt der Bandinhaber auch die Nebenrechte für die sogenannte Zweitauswertung auf das auswertende Label. Dies ermöglicht es letzterem, die Aufnahmen unter einem eigenen GVL-Labelcode zu veröffentlichen und sich somit die GVL-Einnahmen für Sendung und öffentliche Wiedergabe zu sichern. Freilich bleibt in diesem Bereich alles dispositiv.

Zur inhaltlichen Reichweite gehört auch der Umfang der Exklusivbindung. Da Bandübernahmeverträge aus der Sicht der großen Labels oft ein Surrogat für einen Künstlerexklusivvertrag darstellen, wird auf eine persönliche Exklusivbindung, die es dem aufgenommen Künstler verwehrt, während der Vertragslaufzeit für Dritte zu produzieren, großen Wert gelegt. Zwar sichert man sich bereits einen alleinigen Zugriff auf den Act durch die Option auf weiteres Produkt. Allerdings wird dadurch noch keine Aufnahmeverbot bei Dritten statuiert. Ist der Bandinhaber nicht personenidentisch mit dem Künstler, so fordert das Label regelmäßig eine gesonderte Einzeichnung des Künstlers derart, in jedem Falle auch direkt gegenüber dem Label zur Unterlassung verpflichtet zu sein. Diese sogenannten Künstlerbriefe sehen darüber hinaus vor, dass im Falle des Wegfalls des Bandübernahmeproduzenten, z.B. durch Insolvenz, der Künstler direkt an den Lizenznehmer gebunden bleibt.

Hinzu tritt eine weitere Exklusivität, die sogenannte Titelexklusivität. Sie ist kurz gefasst ein Wideraufnahmeverbot auf Zeit. Der Produzent und mit ihm auch der Künstler verpflichten sich, die für das Label eingespielten Werke nicht noch einmal für Dritte einzuspielen oder solche Remakes durch Dritte veröffentlichen zu lassen. Wiederaufnahmeverbote werden heutzutage auf einige Jahre beschränkt, Zeiträume über 10 Jahre dürften bei vorformulierten Standardverträgen auf AGB-Bedenken stoßen oder im Extremfall sogar nach § 138 BGB sittenwidrig sein, zumindest dann, wenn dem langen Verbot keine ausreichende Kompensation in Geld gegenübersteht.

Auch sollten Veröffentlichungspflichten des Lizenznehmers immer im Einklang mit Verboten des Lizenzgebers zu anderweitigen Tätigkeit geprüft werden. Beachtlich bei der inhaltlichen Reichweite der Lizenz ist auch, dass diese branchenüblich immer auf die Leistungsschutzrechte an den Aufnahmen sowie ggf. auf die Persönlichkeits- und Markenrechte am Künstler beschränkt bleibt. Rechte an den zugrundeliegenden Werken sind außen vor. Das auswertende Unternehmen muss also die GEMA-Rechte selbst klären, soweit dies nicht ohnehin durch die Shops auf dem Endverbrauchermarkt, wie z.B. bei den Streamingdiensten üblich, geschieht.  

Vergütung
Die Vergütung ist das sensibelste Feld im Bandübernahmevertrag. Angefangen bei Vorauszahlungen („Vorschüsse“) und deren Nichtrückzahlbarkeit aber vollen Verrechenbarkeit mit späterem Lizenzeinkommen, über Beteiligungen und deren komplexe Basisberechnungen bis hin zu den Ausschüttungsmodalitäten und Buchprüfungsrechten, sind der Vertragsgestaltung auch hier kaum Grenzen gesetzt. Führen versteckte Abzüge allerdings zu einem groben Missverhältnis, so kann der Vertrag insgesamt sittenwidrig sein. Zu einer wertenden Betrachtung bedarf es manchmal nur einer komplett durchdachten Berechnung der möglichen Lizenzeinahmen für den Rechtegeber. Zeigt sich, dass dieser aufgrund diverser Abzüge und Verrechnungen von Investitionen des Lizenznehmers eigentlich erst bis zum Rentenalter braucht, um jemals einen Vorschuss wieder einzuspielen, es sei denn er wird Nachfolger von Elvis, den Beatles oder Michael Jackson, dann ist hier eine Schieflage zu vermuten, welche den Vertrag nichtig machen kann. Andererseits besteht das legitime Interesse der auswertenden Firma, den Lizenzgeber in gewissem Maße am Auswertungsrisiko zu beteiligen, wenn denn schon das Einkaufsrisiko, also die Zahlung einer Vorauszahlung, allein bei der Firma liegt.

Obgleich Vertragspartnerschaften im Musikgeschäft immer auch Vertrauenssache sind, da man den Ankauf und Weiterverkauf von nichtkörperlicher Entertainmentware schlechter nachverfolgen kann als beim Warenverkehr mit Autos oder Toilettenpapier, dürfen gut verhandelte Buchprüfungsklauseln nicht fehlen.  Wer nichts zu verbergen hat, sollte die Buchprüfung auf Kosten des Lizenzgebers großzügig ermöglichen. Allerdings sollten die Kosten der Buchprüfung vom Lizenznehmer übernommen werden, wenn sich zeigt, dass dieses nicht unerheblich fehlerhaft abgerechnet hat.     

Da das Urhebervertragsrecht auch für den Handel mit Tonaufnahmen längst stärker kodifiziert ist, siehe § 85 Absatz 2 Satz 2 UrhG, müssen die Rahmen der §§ 31, 33 und 38 UrhG bei der Vertragsgestaltung beachtet werden. Die strengen Regelungen der §§ 32, 32a bis e UrhG gelten allerdings im Rechtsverkehr über Tonaufnahmen nicht. Damit bleibt im Lizenzhandel mit Tonaufnahmen vieles der freien Privatautonomie der Parteien überlassen. Dies gilt vor allem - was nicht selten ist - dann, wenn sich zwei Vollkauflaute gegenüberstehen.  

Unser Praxistipp: Egal ob Lizenzgeber oder Lizenznehmer. Lassen Sie einen Bandübernahmevertrag vor Unterschrift stets juristisch umfassend prüfen.

Kontaktieren Sie uns zum Thema: Bandübernahmeverträge in der Musikwirtschaft