Covid-19: Rückkehr ins Büro aus Angst verweigern?

Arbeitsrecht

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“Wir machen dann mal blau!”
Warum kollektives Auf-krank-machen für Arbeitnehmer bei Covid-19 Ängsten ein gefährliches Unterfangen ist

Seit März 2020 dreht sich der Planet anders. Covid-19 hat viele Firmen zu der Entscheidung gebracht, ihren Mitarbeitern weitgehende Home-Office Möglichkeiten zuzugestehen. Manch Arbeitgeber hat entschieden, das bis zum Jahresende durchzuziehen. Andere haben ihre Balance zwischen Büropflicht und Home-Office dauerhaft angepasst. Doch ein Großteil der Unternehmen legt noch immer Wert darauf, dass die Mitarbeiter grundsätzlich im Büro arbeiten. Dies aus gutem Grund. Neue Stimmen regen sich, dass ein durchgehendes Arbeiten in den eigenen vier Wänden schwere negative soziale Folgen haben kann, die sich verheerend auf die Arbeitsproduktivität auswirken können. So warnte die Soziologin Jutta Allmendinger jüngst davor, dass das Leben kein Videobildschirm sei.  

Doch was passiert, wenn die Mitarbeiter es sich zuhause mit dem Argument der Virusangst allzu bequem gemacht haben und der Arbeitgeber dem gemeinsamen Büroleben neues Leben einhauchen will?

Rechtlich stellt sich dann zunächst die Frage, ob es im Unternehmen einen Betriebsrat gibt und ob mit diesem eine Betriebsvereinbarung zu Umfang und Dauer von Home-Office geschlossen wurde. Denn hat der Arbeitgeber den Beginn von Home-Office mit dem Betriebsrat genau abgestimmt, so muss eine solche Abstimmung nach § 90 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) auch für den Rückzug aus dem Home-Office getroffen werden. Ohnehin sollte der Betriebsrat informativ so auf Ballhöhe gehalten werden, dass dieser sich genügend zum Thema abgeholt sieht. Obgleich das BetrVG dem Arbeitgeber durchaus Spielräume über die Intensität der Betriebsratseinbeziehung zugesteht, können harte Verstöße gegen Informations- und Mitbestimmungsrechte unangenehme Folgen für den Unternehmer haben.

Die Corona-Krise hat allerdings eine weitere Dynamik in die Abwägung der Pros und Cons zum Thema Büroanwesenheit gebracht. Denn nicht wenige Arbeitnehmer nutzen die Gunst der Stunde, um ihre Angst vor dem Virus als Werkzeug gegen die Rückkehr ins Büro einzusetzen. Dies ist allerdings, trotz manch menschlichen Verständnisses, grundsätzlich unzulässig. Denn trifft den Arbeitnehmer kraft seines Vertrages eine Anwesenheitspflicht, so genügen allgemeine Hygiene-Bedenken nicht, um ihn vor einer Abmahnung zu schützen, wenn er sich weigert, zur Arbeit zu erscheinen.

Risikogründe, die einem Arbeitnehmer das Recht einräumen, vom Büro fernzubleiben, müssen zuvor konkret und glaubhaft dargelegt werden und auch wissenschaftlich belegbar sein. Hält sich der Arbeitgeber anlässlich von Covid-19 an die bundeseinheitlichen Schutzstandards, so gibt es nichts zu meckern.

Wollen eine Vielzahl von Arbeitnehmern trotzdem nicht, so steigert dies die Gefahr von „kollektivem Blaumachen“. Der Arbeitgeber sieht sich dann an einem Tag einer überraschenden Anzahl von Krankschreibungen ausgesetzt. Er darf jeden Arbeitnehmer dann zwar nach dem Grund der Erkrankung fragen, doch dieser muss sich nicht dazu äußern. Allerdings müssen Krankschreibungen vorgelegt werden und bei berechtigten Zweifeln kann der medizinische Dienst der Krankenkasse hinzugezogen werden. Ein riesiger Aufwand für den Arbeitgeber. Der Nachweis, einen Arbeitnehmer einer willkürlichen und damit betrügerischen Krankschreibung zu überführen, zählt in Deutschland zu den härtesten Beweislagen und ist immer wieder Gegenstand mancher Hilflosigkeit von Unternehmen mit viel Krankschreibungen.  

Gelingt es aber doch, den Arbeitnehmer eines willkürlichen Blaumachens zu überführen, so drohen dem Arbeitnehmer nicht nur arbeitsrechtliche Konsequenzen, wie z.B. eine fristlose Kündigung. Denn wer sich krank meldet, obwohl er eigentlich arbeiten kann, macht sich wegen Betrugs strafbar. Er hat dann für die Zeit Entgeltfortzahlung bekommen, obwohl sie ihm nicht zusteht.

Dem gleich steht es, wenn der Arbeitnehmer entweder allein oder mit mehreren im Kollektiv auch nur im geringsten androht, er würde krank machen, weil er nach seinem subjektiven Empfinden keinen ausreichenden Corona-Schutz in den Arbeitsräumen verspüre. Das BAG hat bereits in früheren Entscheidungen deutlich gemacht, dass in der Androhung von Krankschreibung eine grob missbräuchliche Einlassung des Arbeitnehmers zu sehen ist, welche zur fristlosen Kündigung berechtigt (BAG, Urteil 12.03.2009, 2 AZR 251/07).

 

Unser Praxistipp: Als Arbeitgeber sollten Sie nicht nur alle notwendigen Hygienevorsätze umsetzen sondern auch ihre Mitarbeiter darüber informieren, dass ein Nichterscheinen ohne Grund arbeitsrechtliche Konsequenzen haben kann. Als Arbeitnehmer brauchen Sie handfeste und rechtliche Gründe, dem Büro fernzubleiben. Die pauschale und diffuse Sorge um Gesundheit und Sicherheit genügt dem nicht.

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