Nicht immer Veranstaltungsgutscheine bei Covid-19 Ausfällen

Veranstalterrecht

Veranstalterrecht

„Alles Gut durch Gutschein?“
Warum nicht jedes Gutscheinangebot von Veranstaltern durch Covid-19 angenommen werden muss

Nach deutschem Recht gilt im Grundsatz, dass bei Unmöglichkeit der Leistungserbringung durch den Schuldner die dafür gewährte Vorleistung des Gläubigers zurückzugewähren ist. Dies ergibt sich aus der Verzahnung der §§ 275 Abs. 1 bis 3, 326 Abs. 1 und 4 sowie 346 bis 348 BGB.

Ein typischer Fall der objektiven Unmöglichkeit in der Entertainmentindustrie ist, wenn aufgrund von Naturereignissen oder Behördenauflagen eine Veranstaltung nicht durchgeführt werden kann. Dies gilt z.B. für Konzerte, Festivals, Theater, Lesungen, Sportevents oder Bälle.

Die Corona-Krise ist ein solcher Fall objektiver Unmöglichkeit. Sie ist eine Mischung aus Natur- und Staatsgewalt, da Menschen einerseits nachweislich das Risiko haben, schwer zu erkranken und zu sterben und andererseits die Behörden den Riegel vorgeschoben haben und weitgehende Durchführungsverbote für Veranstaltungen erlassen haben.

Um die Folgen für die Veranstaltungsindustrie abzumildern, hat der Gesetzgeber im Galopp den Art. 240 § 5 EGBGB durchgewunken. Dieser Paragraph sieht eine Berechtigung des Veranstalters zur Verteilung von Gutscheinen vor. Eine Pflicht ist diese Lösung freilich nicht. Da die Vorschrift überraschend hart und intensiv in Eigentumsrechte des Bürgers eingreift, ist sie grundsätzlich restriktiv auszulegen. Die EU-Kommission hat den Gutscheinweg der Deutschen im Vorfeld scharf kritisiert. Auch die Verbraucherverbände sehen in der Gutscheinregelung eine ungerechtfertigte Belastung der Bürger.

Auch mehrere Monate nach Inkrafttreten der Regelung dürften noch längst nicht alle Fälle der Rückzahlung versus Gutschein abgewickelt sein. 

Um den Eingriff in die Grundrechte des Verbrauchers nicht absolut zu gestalten, enthält die Regelung einen Unzumutbarkeitsvorbehalt. Dieser nimmt Bezug auf die „persönlichen Lebensumstände“. Da dieser Begriff nicht legaldefiniert ist, ein willkürliches Aufdrängen von Gutscheinen gegen die berechtigten Interessen des Gläubigers jedoch nicht in Betracht kommen dürfte, sind die persönlichen Lebensumstände weit auszulegen. Darunter fallen letztlich alle Umstände, welche die freie und persönliche Lebensplanung des Gläubigers betreffen, wie zum Beispiel Termin- und Zeitplanung, familiäre oder berufliche Verpflichtungen, gesundheitliche Aspekte und vor allem auch die Frage der persönlichen wirtschaftlichen Zumutbarkeit. Die Bundestagsdrucksache BT-Drucks 19/18697 erwähnt als Beispiel der Unzumutbarkeit, dass eine Veranstaltung an einem bereits gebuchten Urlaubsort nicht durch Gutschein nachgeholt werden muss, wenn der spätere Reiseaufwand unverhältnismäßig hoch wäre.

Freilich muss dies auch umgekehrt gelten. Wer zu einem späteren Zeitpunkt, den der Veranstalter zum Nachholen des Events anbietet, bereits verzogen ist, dem ist der Nachholtermin nicht zumutbar. Dies gilt beispielsweise für Abiturienten, die einen Abiball nicht werden nachholen können, wenn sie bereits in die Ferne zum Studieren aufgebrochen sind. Überhaupt erscheint eine Gutscheinlösung, die auf Nachholtermine abstellt, immer dann unzumutbar, wenn der Zweckzusammenhang durch Zeitablauf webgebrochen ist. Bei Abschlussfeiern dürfte dies stets gegeben sein.

Einige Veranstalter versuchen dann, Sachgutscheine wie z.B. Restaurantvoucher von Drittanbietern, als Kompensation anzubieten. Doch auch dieses Vorgehen ist nach Art. 240 § 5 Abs. 3 EGBGB nicht zulässig. Denn danach muss sich der Gutschein ausdrücklich auf den gesamten „Wert“ des ursprünglichen Tickets beziehen, womit allein der Geldwert gemeint ist. Zudem kann der Veranstalter durch das Heranziehen fremder Sachgutscheine nicht einfach das Insolvenzrisiko zwischen sich und dem Gläubiger ohne dessen Zustimmung auf Dritte verlagern.  

Beachtlich ist zuletzt auch der grundsätzlich eingeschränkte Anwendungskreis des Art. 240 § 5 EGBGB. Danach bezieht sich die Regelung nur auf die Tickets, also Einlassberechtigungen der letzten Stufe zwischen Veranstalter und Endverbraucher. Nicht anwendbar ist die Gutscheinregelung also auf Zwischenhändler oder auf der bloßen Organisationsebene mehrerer Beteiligter. Entsprechende Veranstaltungsorganisationsverträge müssen also nach wie vor regulär über das Schuldrecht der Unmöglichkeit rückabgewickelt werden.

Unser Praxistipp: Lassen Sie sich als Verbraucher nicht voreilig auf Gutscheinangebote eines Veranstalters ein. Haben Sie überhaupt kein Veranstaltungsticket gekauft, sondern eine Dienstleistung zur Planung und Organisation einer Veranstaltung beauftragt, so greift die Gutscheinregelung überhaupt nicht.

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