Zur missbräuchlichen Gebührenforderung bei Urheberrechtsabmahnungen

Urheberrecht und Kostenrecht

Urheberrecht und Kostenrecht

„Nö, zahle ich nicht“
Zur missbräuchlichen Gebührenforderung bei urheberrechtlichen Abmahnungen

Wer rechtswidrig die Urheberrechte anderer verletzt, muss regelmäßig damit rechnen, dass ihn dies etwas kostet. So kann der Rechteinhaber nicht nur aufgrund der ihm entgangenen Lizenzen Kompensation verlangen. Auch die Übernahme der Rechtskosten, welche er zur Verfolgung der Verletzungstat aufwenden muss, sind grundsätzlich Teil seines Schadensersatzanspruchs. Es gibt aber Ausnahmefälle wegen missbräuchlichen Ausnutzens dieses Grundsatzes. Dann muss die Gebührennote sogar von einem rechtswidrig handelnden Verletzer nicht ausgeglichen werden.

Der BGH hat dazu in einem Versäumnisurteil vom 28.05.2020 – Az I ZR 129/19 Stellung bezogen. Der Rechtanwalt ist Organ der Rechtspflege. Er hat sich redlich zu verhalten. Diese Redlichkeit wird durchbrochen, wenn sich Rechtsanwälte erkennbar derart organisieren, dass sie aus dem Abmahnwesen ein Geschäftsmodell „in eigener Regie“ - so der BGH - entwickeln. Der Senat verweist insoweit auf die Grundsätze zum unlauteren Abmahnwesen im Wettbewerbsrecht (BGH Versäumnisurteil vom 26.04.2018 – Az I ZR 248/16). Anhand einer Kette von Indizien soll erkennbar sein, dass die Abmahnung darauf ausgerichtet ist, ausschließlich die Gebühreneinnahmen der Kanzlei zu maximieren. Allerdings kennt das Urheberrecht eine dem § 8 Abs. 4 UWG entsprechende Vorschrift nicht, so dass nur auf allgemeine Redlichkeitsgrundsätze nach § 242 BGB zurückgegriffen werden kann. Danach fordert der BGH, dass im Rahmen einer Einzelfallprüfung die Abmahnung im Schwerpunkt durch sachfremde Erwägungen motiviert ist.

Auch nach den Vorstellungen des BGH reicht dazu wohl nicht ein einziger Anhaltspunkt sondern nur eine Kette von Indizien, wie z.B.

  • eine besonders extensive Abmahntätigkeit im Vergleich zur sonstigen gewerblichen Entfaltung des Verletzten,

  • die Zweckrichtung, den Verletzer mit möglichst hohen Prozesskosten zu belasten,

  • das systematische Verlangen erhöhter Abmahngebühren,

  • kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse an der Unterlassung aus dem Blickwinkel eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden, sondern nur die Absicht, Mitbewerber mit hohen Kosten zu belasten,

  • die zeitliche parallele Abmahnung gegenüber mehreren Verletzern in einer vertikalen Vertriebskette, hier Großhändler und Einzelhändler.  

Vorliegend kam für die abmahnende Kanzlei erschwerend hinzu, dass ihre Partner für die Recherche der Verletzungen eigens eine GmbH gegründet hatten und mit ihrer Kostennote auch die Ermittlungskosten der GmbH ersetzt bekommen wollten.

Zwar kann nicht ernsthaft darüber gestritten werden, dass einem statischen Abmahnmodell mit hohen Pauschalgebühren zum alleinigen Zweck der Kassenfüllung von Kanzleien ein Riegel vorgeschoben werden muss. Dennoch verdient der Richterspruch aus Karlsruhe Kritik. Denn der Senat hätte andere Wege finden können, den Gebührenforderungen vorliegend einen Strich durch die Rechnung zu machen. So hätte man den Rechtsmissbrauch auch allein an der berufsrechtlich neuralgischen Stelle der separaten Ermittlungs-GmbH und deren Kostenpauschale feststellen können statt auf subjektive Zweckmotive zu schauen. Denn die Tatsache, dass die klagenden Anwälte zugleich Geschäftsführer und Gesellschafter der Recherche-GmbH zur Aufdeckung von Verletzungen waren, war gegebenenfalls nach § 43a BRAO berufsrechtlich zu ahnden (siehe ähnlich auch BGH Urteil vom 11.01.2016 – Az AnwZ BrfG 35/15). Zwar hat der BGH dies als weiteres maßgebliches Indiz gewertet. Aber diesem Punkt hätte schlichtweg der Vorrang vor weiteren Wertungspunkten eingeräumt werden müssen. Denn man wird einem Urheber grundsätzlich nicht absprechen dürfen, auch extensiv abmahnen zu lassen, wenn doch die Rechtsverletzung an verschiedenen Stellen der Vertriebskette unzweifelhaft vorhanden ist. Soll sich denn jedes Gericht, welches über Abmahngebühren zu entscheiden hat, zukünftig als eine Art Ersatzunternehmer Gedanken darüber machen, ob das Interesse an der Unterlassung für eine Musikgruppe, ein Schallplattenlabel, einen Verlag oder einen Filmproduzenten angesichts der eigenen gewerblichen Entfaltung wirtschaftlich sinnhaft erscheint?  

Und kann es wirklich ein Indiz für Rechtsmissbrauch sein, wenn ein Vertriebsunternehmen, welches nachweislich rechtswidrige Raubkopien verbreitet, eine durchaus hohe Kostennote trifft?

Da scheint es sachnäher, sich zunächst ausschließlich das Konstrukt der zusätzlichen und berufsfremden GmbH-Geschäftstätigkeit der gebührenfordernden Anwälte anzuschauen. Dies hätte beispielweise genügt, um eine Beweislastumkehr zulasten der Anwälte einzuführen. Sie hätten dann beweisen müssen, dass die Gebührenforderung gleichwohl in redlicher Tätigkeit erfolgte.

Des weiteren besteht bei der massenhaften Abmahnung gegenüber einer Vielzahl von Einzelhändlern seit der Rechtsprechung des BGH zum Götz George Film „Der Novembermann“ (BGH Urteil vom 06.06.2019 – Az I ZR 150/18) die Möglichkeit, mehrere Abmahnvorgänge mit einheitlichen Textbausteinen zu einer einheitlichen Sache nach § 15 Abs. 2 RVG zusammenzufassen, so dass auf diesem Wege sachgerechte Kostenbremsen durchgesetzt werden können. Denn in einem solchen Fall kann der Anwalt nur einmal seinen Kostenersatz verlangen.

Unser Praxistipp: Gehen Sie als Rechteinhaber mit seriösen Kanzleien zielgerichtet und treffsicher gegen Rechtsverletzungen vor. Für Adressaten von Abmahngebühren prüfen wir gerne die Rechtmäßigkeit der Kostennote.

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