EuGH nimmt Social Media Plattformen zu Hassbeiträgen in die Pflicht

Äußerungsrecht

Äußerungsrecht

„Auch weltweit: Keine bösen Wörter!“
EuGH stärkt die Rechte der Adressaten von Hassbeiträgen im Netz

Anfang Oktober entschied der Europäische Gerichtshof (Urteil des EuGh vom 03.10.2019 in der Sache C-18/18) mit deutlichen Worten, was sich zuvor aufgrund der Empfehlung des Generalanwalts bereits abgezeichnet hatte. Wir berichteten. Social Media und andere Meinungsäußerungsplattformen müssen künftig erheblich mehr Energie aufwenden, um ihr Angebot auf Hassbeiträge zu durchforsten. Und sie müssen diese und vergleichbare Beiträge nach Aufforderung der Verletzten im Zweifel auch weltweit löschen.

Auch wenn die Stärkung des Persönlichkeitsrechts angesichts eine zunehmend unreflektierten Verunglimpfungskultur im Netz überfällig war, so wirft die Entscheidung durchaus wichtige Fragen im Wechselspiel von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht auf.

Zwar unterliegt das Äußerungsrecht seit jeher ausführlichen Schranken, Art. 5 Absatz 2 GG. Nicht umsonst unterstreicht das Grundgesetz im unmittelbaren Kontext der Meinungsfreiheit als Gegenspieler das Recht der persönlichen Ehre. Und ehrwürdiges Verhalten mag man in einem Großteil von Postings, die Hass verbreiten und nur auf eine pauschale Verunglimpfung des Adressaten abzielen, wahrlich nicht erkennen.

Gleichwohl stellt sich Frage des Äußerungsschutzes anhand des Urteils auf einer anderen Ebene. Da Plattformen wie Facebook keine Begrenzung der Teilnehmerzahl vorsehen, können Beiträge in großer Masse durch das menschliche Auge kaum effektiv gesichtet, untersucht und juristisch bewertet werden. Facebook wird somit bei voller Beachtung der Zielsetzung des EuGH eventuell zwangsläufig in die Filterecke gedrängt. Einmal dort angekommen sehen viele die Gefahr von elektronischer Zensur durch Algorithmen. Wie soll eine Software Applikation den Wert einer Äußerung in Gesamtzusammenhängen beurteilen können, ab wann darf Schmähkritik zum Zweck der Satire auch mal über die Stränge schlagen? Und sind nicht zuletzt selbst menschliche Überwacher überfordert damit, Compliance Regelwerke eines Großkonzerns einzelfallgerecht umzusetzen?

Des Weiteren mag zurecht gefragt werden, wie sich eine weltweite Sperrung von Aussagen, die durch das Roster fallen, mit dem unterschiedlichen Verständnis über die Reichweite von Meinungsfreiheit in verschiedenen Kulturen, Staatssystemen und auch religiösen Landschaften auf diesem vielseitigen Planeten unter einen Hut bringen lässt.

Auch wenn der EuGH im Grundsatz eine richtige Entscheidung gefällt hat, um einfach mal eine robuste Grenze zugunsten des Rechts auf persönliche Ehre einzuziehen, so werden die wahren Herausforderungen erst mit der technischen und rechtlichen Umsetzung der neuen Rechtsprechung beginnen. Wir bleiben für Sie am Ball.

Unser Praxistipp: Interessieren Sie sich grenzüberschreitend für die Reichweite von Meinungsfreiheit in unterschiedlichen Ländern und Systemen. Bleiben Sie im Netz stets „soft on person, hard on point“.

Kontaktieren Sie uns zum Thema: Hassbeiträge im Netz