Xavier Naidoo erfolgreich gegen Antisemitismus Vorwurf

Äußerungsrecht

Äußerungsrecht

“Alles kann besser werden”
… frei nach Xavier Naidoo, der alles andere als ein Antisemit ist.

Die Heidelberger Amadeu Antonio Stiftung ist grundsätzlich eine gute Institution. Wer sich offen gegen den unerträglichen Rechtsruck im Land wendet, verdient Zuspruch. Eine Referentin der Stiftung hatte indes auf einer Diskussionsveranstaltung im Sommer 2017 mächtig daneben gegriffen, als sie einen der im deutschsprachigen Raum berühmtesten Barden, Herrn Xavier Kurt Naidoo, offen als „strukturell nachweisbaren Antisemiten“ bezeichnete. Dafür kassierte sie nun auch in der Berufung beim OLG Nürnberg die Quittung (OLG Nürnberg Urteil vom 22.10.2019 – Az 3 U 1523/18). Das OLG bestätigte, dass die Äußerung der Referentin, wenngleich noch im Rahmen der Meinungsfreiheit, diskriminierenden „an-den-Pranger-stellenden“ Charakter habe und erheblich in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Künstlers eingreife.

Interessant ist die Entscheidung nicht nur vor dem Hintergrund zunehmender Radikalisierung im politisch-gesellschaftlichen Diskurs über den Umgang mit Religionen. Auch die feine Differenzierung, mit welcher sowohl die Vorinstanz als auch das OLG die unerlaubte Schmähkritik von der Meinungsfreiheit abgrenzen, am Ende bei einer Grundrechtsabwägung zwischen Art. 5 GG und dem Persönlichkeitsrecht des Sängers gleichwohl zugunsten des letzteren entscheiden, ist beachtlich.  

Zwar sei eine sachliche Auseinandersetzung mit verdecktem Antisemitismus vor deutschem Geschichtshintergrund besonders wichtig. Daher sei es der Referentin auch nicht per se verwehrt, aus der Interpretation von Liedtexten gewisse Schlussfolgerungen als ihre Meinung zu artikulieren. Indes habe die Unterstellung „Antisemit“ einen derart intensiven Charakter, dass sie zumindest dann besonders tief in das Persönlichkeitsrecht des Adressaten eingreife, wenn sie nicht klar bewiesen sei, sondern der Adressat sich vielmehr bei verschiedener Gelegenheit sogar offen gegen Antisemitismus gewandt habe. Insbesondere könne die Referentin nicht behaupten, eine antisemitische Haltung von Naidoo sei nachweislich, wenn es sich letztlich nur um ihre eigene Interpretation angeblich subjektiver Zielsetzungen aus einigen Texten des Künstlers handele und der Künstler derartige Interpretationen selbst nicht nachvollziehen kann. Gewichtig hinzu trete, dass Xavier Naidoo nachweislich immer wieder an großen Veranstaltungen gegen Hass und Religionsfeindlichkeit, unter anderem auch in Tel Aviv, teilgenommen habe.

Die Entscheidung des OLG Nürnberg ist richtig. Traurig bleibt, dass auch Meinungsäußerungen im politisch-gesellschaftlichen Diskurs mittlerweile auf vielen Ebenen derart pauschal und undifferenziert schnell platziert werden, dass häufig ein semper aliquid haeret droht. Nur zu, irgendwas bleibt immer hängen. Man muss daher klare Kante zeigen: Dass Xavier Kurt Naidoo ein Antisemit ist, ist schlichtweg totaler Unfug.

Manche mögen einfach nicht wahrhaben, dass musikalische Sprache zuweilen komplex ist. In ihrer Betrachtung von Kunst übersehen sie, dass emphatische Künstler, wie insbesondere Naidoo, zumeist vor jeder Radikalisierung und Undifferenziertheit warnen und unterm Strich wie kaum andere mit großem Herzen und großer Stimme zu Versöhnung, Liebe und Frieden zwischen allen Menschen, Völkern, politischen Gruppierungen und Religionen aufrufen. Und wo man singt, da lass Dich nieder, denn böse Menschen haben keine Lieder.

UPDATE vom 08.05.2020: Aufgrund der Äußerungen des Sängers Xavier Naidoo in den vergangenen Wochen und der damit verbundenen Ereignisse, sowie deren Aufarbeitung, welche ein differenziertes Bild des Künstlers darlegen, möchten wir hiermit Folgendes festhalten: Das Urteil des OLG Nürnberg vom Oktober 2019 halten wir aufgrund der damaligen Erkenntnislage nach wie vor für richtig. Gleichzeitig distanzieren wir uns jedoch ausdrücklich und mit Nachdruck von allen politischen, religiösen oder gesellschaftlichen Tendenzen bei Künstlern, die Ausdruck einer Sympathie für jegliche Form der Radikalisierung sind. Dies gilt insbesondere für Äußerungen von Herrn Naidoo im Umfeld der sogenannten Reichsbürgerbewegung.

Unser Praxistipp: Hüten Sie sich davor, Menschen voreilig zu verurteilen. Achten Sie bei Meinungsäußerungen darauf, andere Menschen so zu behandeln, wie Sie selbst auch behandelt werden möchten.

 Kontaktieren Sie uns zum Thema “Meinungsäußerung versus Persönlichkeitsrecht