DSM-Richtlinie kommt (vorerst) nicht zu Stande
Urheberrecht/Europarecht
„4,5 Millionen machen das Licht aus“
Eine Einigung zur DSM-Richtlinie rückt in weite Ferne
Am 18. Januar erreichte uns eine Nachricht, die im Grunde schon erwartet werden durfte. Mehrere EU-Länder, darunter auch Deutschland, Schweden, sämtliche Benelux-Staaten, sowie neuerdings auch Italien lehnen die Trilog-Verhandlungen zur DSM-Rechtlinie in seiner jetzigen Fassung ab. Doch bleibt in Brüssel vor den nächsten Parlamentswahlen nun kaum noch Zeit für Nachbesserungen und einen finalen Einigungsprozess. Die Wahrscheinlichkeit rückt damit näher, dass die gesamte Richtlinie, soweit sie im wahlbedienten Wechsel nicht völlig in Vergessenheit gerät, unter der Neuformierung des EU-Parlaments, sowie dem Ratsvorsitz der Rumänen wird weiterverhandelt werden müssen.
Von Anfang an waren die Versuche der Durchsetzung dieser weitreichenden Urheberrechtsreform auf beiden Seiten von großem Populismus und wenig Sachlichkeit und ausreichender Fachkenntnis geprägt. Allein die Tatsache, dass der US-Gigant Alphabet für seine Tochter YouTube und deren wirtschaftliche Interessen im Scheinkleid einer Art „Robin Hood“-Bewegung für die Zuschauerrechte in Europa 4,5 Millionen Unterschriften gegen den ominösen Artikel 13 der Richtlinie, den sicher kaum einer der Unterschriftengeber jemals gelesen hat, sammeln konnte, zeigt, mit welcher Schlagkraft moderner Cyberspace-Lobbyismus mittlerweile betrieben wird.
Wir hatten bereits in unserem Blogbeitrag vom 14. September die letzte Änderungsfassung des Artikel 13 der DSM-Richtlinie zitiert und festgestellt, dass sogenannte „Upload-Filter“ keine Rolle mehr spielten und der Regelungsgehalt weitgehend in eine Treu und Glauben Vorschrift aufgeweicht wurde. Dies mag auf der Zielgeraden zu weiterer Verunsicherung geführt haben.
Im Vordergrund stand jedoch weiterhin eine klare Haftung derjenigen Streaming-Plattformen, die sich im erheblichen Maße der Anonymisierung ihrer Nutzer bedienen, um mit der milliardenfach illegal hochgeladenen Kreativität anderer Traffic, Aufmerksamkeit und damit Umsätze zu generieren.
Der hehre Versuch aus Brüssel diesen Geschäftsmodells urheberrechtlich irgendwie habhaft zu werden, ist nun einstweilen vor allem deshalb gescheitert, weil bei der Güterabwägung verschiedener Interessen die Komplexität stets zugenommen hat, statt sie zu reduzieren.
Mit einer butterweichen Treu und Glauben Klausel werden beide Seiten, Verwerter wie Rechteinhaber, in der Praxis wenig anfangen können. Dabei könnte die Formel für Plattformen wie YouTube so einfach aussehen: Wer dort unter seiner eigenen Marke und seinem Impressum veröffentlicht, der kann erreicht und belangt werden. Er kann und sollte daher selbst für eine genügende Rechteklärung seines Kanals sorgen und haften. Wer sich mittels der von dem Plattformbetreiber bereitgehaltenen Technologie, vor allem der Kanaleröffnung mit einfachen Pseudonymen und ohne ordentliches Impressum, weiterhin betätigen möchte, ohne als Mensch oder Unternehmen auf diesem Planeten erkannt zu werden, der kann praktisch von Eigentümern der genutzten geistigen Rechte nicht identifiziert und belangt werden. Da die Plattform genau dies ermöglicht, ja letztlich auch fördert, muss sie dafür nicht nur als Störer, sondern als Mittäter belangt werden. So einfach könnte es laufen. Um in diesem Bereich eine aufwendige Rechteklärung zu vermeiden, könnte allerdings bei anonymisierten Kanälen gegebenenfalls mit einfachen Pauschallizenzen auf das Repertoire gearbeitet werden. Damit würde die Diskussion über das „Ob“ auf das „zu welchem Preis“ verschoben werden. Dem Urheberrecht ist dies seit jeher in vielen Massennutzungen bekannt, insbesondere bei der öffentlichen Widergabe. Kreative und Rechteinhaber hätten Interesse an einem solchen abgestuften Modell, welches den Wert ihrer Rechte einerseits, aber auch den Bestand der beliebten Plattform YouTube andererseits, ausreichend für die Zukunft absichern würde. Die Formelbestandteile sind einfach: Quantität und Qualität des Angebots, Nutzungsintensität und Monetarisierung. Bringt man alles zusammen, entsteht zwangsläufig ein abgestuftes Modell, welches sich zwischen gesetzlicher Lizenz (siehe Senderechte), Zwangslizenz (siehe Cover-Versionen) und Exklusivrecht (siehe Zugänglichmachung) abspielt.
Stattdessen haben die beteiligten Kreise in Brüssel dem Urheberecht bisher einen Bärendienst erwiesen und nun auch in der, für Europa doch so wichtigen Kulturwirtschaft einen erheblichen Beitrag zu der zunehmenden EU-Politikverdrossenheit geleistet. Wir schauen die weiteren Wochen gespannt darauf, was sich zwischen Fünf-Vor-Zwölf und High-Noon bei den EU-Gremien noch so alles zur DSM-Richtlinie tun wird.
Praxistipp: Verwechseln Sie anonymisierte Urheberverletzungen nicht mit dem Recht auf Informationsfreiheit - das sind zwei paar Schuhe! Treten Sie gerne für die Machbarkeit eines ungehinderten Streamings ein, jedoch unter Würdigung von geistigem Eigentum, also der nutzungsgerechten Abstufung von Exklusivrechten und fairer Vergütung für die Kreativen und Produzenten von audio-visueller Kultur.
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