Neuschwanstein und wie aus Märchen Marken werden
Markenrecht
„Was für ein Schloss! - Wie aus Märchen Marken werden“
Warum ‘Neuschwanstein’ entgegen dem Wunsch des Souvenirladens von nebenan eine geschützte Marke bleibt
„Wir zahlen doch schon Steuern und sind es satt, an den Freistaat Bayern auch noch Lizenzgelder für unsere T-Shirts, Bierdeckel, Poster und Schneekugeln zu zahlen!“ Mit diesem Ansatz hatten sich vor mehreren Jahren diverse Souvenirhändler aus dem Regierungsbezirk Schwaben zusammengetan, um gegen die Eintragung der Unionswortmarke NEUSCHWANSTEIN durch den Freistaat vorzugehen. Die Sache landete mittels des Souvenirhändlerverbandes BSGE vor dem EuGH, der sodann 2016 entschied, dass die Marke bestand hat und die Souvenirvertriebe weiter zahlen müssen (EuGH, Urteil vom 05.07.2016, Az. T-167/15). Da sich der Staat beim Europäischen Markenamt gleich 17 Nizza-Klassen aus den Bereichen Produkte und Dienstleistungen für das Wort NEUSCHWANSTEIN gesichert hatte, unter anderem auch für Kerzen, Parfüm, Regenschirme, feine Backwaren, Tee, Biere, Schnäpse, Versicherungshandel und SIM-Karten, war die Sache von einiger Bedeutung und ging in die Berufung.
Mit dem aktuellen Beschwerde-Urteil vom 05.09.2018 hat die fünfte Kammer des EuGH (Az.: C-488/16 P) dem Bundesverband der Souvenirhändler jetzt endgültig eine Absage erteilt. Die Marke bleibt zugunsten des Freistaats erhalten. Munition für den Angriff auf die Gemeinschaftsmarke sollten Artikel 7 Absatz 1 b) und c) der EU-Marken-Verordnung 207/2009 enthalten. Marken, denen jede Unterscheidungskraft fehlt oder die in ihrer Bezeichnung ausschließlich eine geografische Herkunftsangabe darstellen, sind absolut eintragungsunfähig. Der EuGH sieht in Neuschwanstein jedoch keine geografische Herkunftsangabe. Dies vor allem deshalb nicht, weil Neuschwanstein als Schloss primär architektonisches Kulturdenkmal, aber weder Ort noch Gemeinde sei. Prägend für den Begriff sei die von König Ludwig II. gewählte architektonische Einzigartigkeit, nicht aber die Tatsache, dass am Platze Waren, insbesondere Souvenirs hergestellt oder vertrieben würden.
Diese Abgrenzung ist vor allem deshalb relevant, weil der BGH 2012 beschlossen hatte, dass die Marke in Deutschland für einige Klassen aufgrund absoluter Hindernisse nach § 8 Absatz 2 Nr. 1 MarkenG gerade nicht eintragungsfähig sei (BGH, Beschluss vom 8. 3. 2012, Az.: I ZB 13/11). Das lässt aufhorchen, denn der Wortlaut des Markengesetzes ist in diesem Teil mit Artikel 7 Absatz 1 b) der Unionsmarken-VO wortgleich. Weil der bloße Hinweis auf das Baudenkmal eine Unterscheidungskraft bei bezugnehmenden Souvenirs nicht ermögliche, sei die Marke in solchen Klassen der Souvenirnähe, wie z.B. Kerzen (Nizza-Klasse 4), Musikinstrumenten (15), Textilien (24), Bekleidung (25) aber auch Getränken (30, 32, 33) abzuweisen. Gerade in dieser Argumentation sieht der EuGH hingegen einen Zirkelschluss.
Unterm Strich lässt sich sagen, dass der BGH der Wortmarke NEUSCHWANSTEIN in den souvenirnahen Klassen den zur Unterscheidungskraft notwenigen betriebsbezogenen Charakter des Wortes abgesprochen hat, während der EuGH die Unterscheidungskraft für diese Klassen bejaht hat und auch keine Absage an die Markeneintragung aufgrund einer angeblich rein geografischen Herkunftsangabe erteilte. In diesem Teil hat also der EuGH diametral zum BGH entschieden.
Das Recht zu derartigen Abweichungen hat der EuGH ebenso noch einmal klargestellt. Denn sämtliche Regelungen zu den Unionsmarken seien ein, aus einer Gesamtheit von Vorschriften bestehendes, autonomes System, mit dem eigene Ziele verfolgt würden und dessen Anwendung von jedem nationalen System unabhängig sei. Der EuGH sah sich daher nicht gehalten, den BGH aus 2012 berücksichtigen zu müssen.
Dem einfachen Souvenirhändler mag die Bestätigung der Gemeinschaftsmarke schon aus diesem Blickwinkel schwer vermittelbar sein. Er darf nun, von europäischen Institutionen angeordnet, in Füssen und anderswo keine Kerzen, Hüte, Buntstifte und andere Gegenstände mit dem Namen NEUSCHWANSTEIN mehr vertreiben, obwohl ihm der BGH in Karlsruhe dafür vor einigen Jahren noch grünes Licht gegeben hatte. Es bleibt zu hoffen, dass der Freistaat Bayern, der sich ja an anderer Stelle gerne einmal europakritisch zeigt, diese Entscheidung aus Straßburg nicht ausnutzen wird und in Zukunft unkomplizierte, sowie preislich angemessene Markenlizenzen für den ihm gehörenden „Stein des neuen Schwans“ erteilt. Eine Amortisierung der hohen Renovierungskosten erscheint aus solchen Einnahmen freilich allemal sachnäher als die Verschiebung von Steuergeldern auf den Berg am Forggensee. Positiv ist zudem zu vermerken, dass der stark zugenommenen und zuletzt fast grenzenlosen Kommerzialisierung von Neuschwanstein durch den EU-Markenschutz nun besser Einhalt geboten werden kann.
Kontaktieren Sie uns zum Thema "Markenschutz und die Vermeidung von Eintragungshindernissen"