Parteien und Musiknutzung im Wahlkampf

Urheberrecht

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„Politik aus der Jukebox“
Warum Parteien nicht ohne weiteres Musik nutzen dürfen

Die Landtagswahlen im größten Flächenstaat Deutschlands stehen an. Und dass man in Bayern wichtige Botschaften mit Musik verbindet, ist nicht nur Brauch auf dem Oktoberfest. Da sich der amtierende Ministerpräsident Markus Söder offen zum Rock’n Roll bekennt, ja, sich selbst sogar fesch als „Altrocker“ betitelt, geht die Sorge im Musikgeschäft um, einmal mehr könnte zum Wahlkampfauftakt der Volumenregler an der Saalbeschallung hochgedreht werden. „Born In The Nürnberg“ würde Söder wohlmöglich singen, während seine Partei sich im Hintergrund schonmal zu einem Chor von „Sympathy For The Devil“ Probe dirigieren ließe.

Doch so einfach ist das mit der Wahlmusik nicht. Zu Recht überlässt die Rechtsprechung den Parteistrategen grundsätzlich keine freie Wahl an der Jukebox. Dieser Ansatz hat sich im Zeitalter von Donald Trump nun auch in den USA zunehmend durchgesetzt. So hat sich vor wenigen Tagen Steven Tyler von Aerosmith zu Wort gemeldet und Präsident Trump einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er mahnte die Trump Regierung mittels seiner Anwälte ab und ließ mitteilen, er möge als Urheberfreund grundsätzlich keine ungefragte Nutzung seiner Musik.

Verwundern darf, wie unbeirrbar sich die Republikaner unter Trump an dem Zugriff auf berühmte Songs schon versucht haben. Die Liste der genervten Musiker ist inzwischen lang.

In Amerika werden die Persönlichkeitsrechte von Urhebern und Interpreten traditionell weniger ernst genommen als in Europa. Dies hat seinen Ursprung in der unterschiedlichen Geschichte des Rechtsgebiets. Während das US-amerikanische Recht vom angelsächsischen Copyright geprägt wurde, welches im Mittelalter primär als monetäres Recht zum Verbot von Raubkopien zugunsten der Lehnsherren etabliert wurde, geht das kontinental-europäische Urheberrecht, vom französischen Droit d’Auteur und Droit Moral herkommend, stärker auf die Naturrechtlehre in den Ursprüngen von Thomas von Aquin zurück. Daher hat in Europa das Urheberpersönlichkeitsrecht seit jeher einen besonderen Stellenwert in der Gesetzessystematik. Gleichwohl stehen die Chancen für Aerosmith gut, dass Trump nachgeben wird. Eine Musik gegen den Willen des Autoren im politischen Kampf einzusetzen, kann dem Präsidenten nicht wirklich Freude bereiten.

In Deutschland hat zuletzt auch der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Beschluss aus dem Mai 2017 (Az.: I ZR 147/16 vom 11. Mai 2017) klargestellt, dass Musikurheber die Nutzung ihrer Werke im Wahlkampf von Parteien nicht dulden müssen. Vorliegend klagten die Höhner gegen die NPD. Dabei betont der BGH, Musik sei in einer dramaturgischen Inszenierung besonders geeignet, einen Transfer der Stimmungslage zu vermitteln. Daher sei dem Urheber eine von ihm nicht gewollte Verbindung mit politischen Botschaften innerhalb dieser Dramaturgie nicht zuzumuten.

Bei politischen Wahlkampfveranstaltungen handelt es sich regelmäßig um eine solche dramaturgische Inszenierung, da Musik häufig gemeinsam mit den Auftritten, sowie dem Ein- und Auszug der Parteiredner in Szene gesetzt wird, um die Stimmung im Saal anzuheizen. Zwar können die Parteien durch eine GEMA-Lizenz das Recht der öffentlichen Wiedergabe für das Abspielen von Musik erwerben. Das urheberpersönlichkeitsrechtliche Verbotsrecht bleibt davon aber unberührt. § 14 UrhG schützt den Urheber nicht nur vor einer Entstellung der Werkintegrität als solcher, sondern auch vor einer Beeinträchtigung, die das Werk in einen anderen Kontext setzt und dazu führen kann das Musikstück dadurch in einem anderen Licht erscheinen zu lassen.

In einer ähnlichen Konstellation hatte das OLG Jena bereits 2015 der Interpretin Helene Fischer einen Verbotsanspruch gegen die NPD zugesprochen (Urteil vom 18.03.2015, Az.: 2 U 674/14). Anders als bei der Band Höhner ging es in diesem Einstweiligen Verfügungsverfahren aber um das Persönlichkeitsrecht der Interpretin nach § 75 UrhG. Das Gericht urteilte, auch § 75 UrhG schütze nicht nur vor direkten Beeinträchtigungen, wie zum Beispiel der Entstellung einer Tonaufnahme, sondern auch vor indirekten. Das OLG Jena stellte seine Entscheidung auf zwei wesentliche Grundlagen: Zum einen verstoße die Nutzung einer Künstleraufnahme im Rahmen einer Parteienveranstaltung gegen das Werbeverbot, also der Kopplung von Musik mit Warenangeboten. Eine politische Partei sei insoweit nicht anders zu beurteilen, als ein Markenartikler. Zum anderen nahm das Gericht ausführlich dazu Stellung unter welchen Voraussetzungen der ausübende Künstler eine Beeinträchtigung untersagen kann, die geeignet ist, sein Ansehen oder seinen Ruf in seiner Eigenschaft als Interpret zu gefährden. Hierbei käme es weniger auf subjektive Empfindungen des Künstlers selbst an, als vielmehr auf die objektivierte Sichtweise eines Durchschnittsbetrachters. Wenn aber dieser Betrachter sich fragen dürfe, was denn wohl den Interpreten mit der politischen Gesinnung auf einer Wahlkampfveranstaltung verbinden würde, so genüge diese sich aufdrängende Fragestellung bereits aus eine Ansehensgefährdung hinreichend zu indizieren.

Um den Kreis an dieser Stelle zu schließen wird sich auch in den USA eine vergleichbare Fragestellung aufdrängen. Was verbindet die Rock-Ikone Steven Tyler eigentlich mit Donald Trump? Tyler hat seit langem ein republikanisches Parteibuch auf seinem Tisch liegen, dies ist bekannt. Der Mann ist im irdischen Leben durchaus konservativer, als sein Anschein auf der Bühne. Aber dieser Tage ist Republikaner und Trump-Unterstützer eben nicht gleich zu setzen. Sollte sich nach der Abmahnung des Aerosmith Sängers noch ein Gericht mit dem Fall zu beschäftigen haben, so wird es auch diese Differenzierung vornehmen müssen.

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