BGH verhandelt über die urheberrechtliche Gemeinfreiheit in Museen

Urheberrecht

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„Nicht in meinem Haus!“
Warum das Verbringen gemeinfreier Werke in geschlossene Museumsräume zu einer Last für den Zweck des Urheberrechts werden kann

In wenigen Wochen, am letzten Oktobertag, wird der BGH zu wichtigen Grundsatzfragen der Gemeinfreiheit urheberrechtlich, durch Zeitablauf nicht mehr geschützter Werke verhandeln. Es geht um die mit Spannung erwartete Revision in der Sache der Reiss-Engelhorn-Museen der Stadt Mannheim gegen einen Fotografen, der die Wikimedia-Commons-Plattform mit Bildmaterial belieferte (OLG Stuttgart, Urteil vom 31.05.2017 – 4 U 204/16).

Der Fotograf hatte sich zweierlei einfallen lassen. Zum einen schnappte er sich Kataloge des Museums, um dort die Bilder alter Meister zu scannen oder abzufotografieren. Zum anderen besuchte er persönlich das Museum und schoss im Haus viele Fotos von Museumsgegenständen, wie zum Beispiel Möbeln, Uhren, Vasen, Medaillen, aber auch weiteren Ölgemälden. Sodann stellte er diese Bilder bei der Wikimedia Foundation in deren „Commons“-Sektion ins Netz ein, ganz nach dem Motto: „Was frei ist, soll auch frei bleiben“.

Zu früh gefreut. Denn dem Museum gefiel das nicht und es klagte auf Unterlassung. Zum einen sah es sich in seinem eigenen Urheberrecht aufgrund Lichtbildschutzes nach § 72 UrhG aus abgeleitetem Recht des ehemaligen Hausfotografen verletzt. Dies betraf die von dem Museum zuvor herausgebrachten Katalogabbildungen. Zum anderen mahnte es eine grobe Verletzung des Hausrechts an, da ein Fotografieren in den Räumen des Museums verboten und dies bei Zuritt auch ausreichend beschildert gewesen sei.

Beiden Argumenten gab das OLG Stuttgart in einer ausführlich begründeten Entscheidung Recht. Zu den von dem Beklagten eingescannten Bildern stellte es fest, diese würden den Lichtbildschutz nach § 72 UrhG zu Gunsten des Museums genießen. Die Rechtsprechung des BGH zum Fall „Telefonkarte“ (BGH Urteil vom 07.12.2000 – I ZR 146/98) sei insoweit nicht anwendbar. Damals hatte der BGH zur reinen Reproduktionsfotografie geurteilt: Ein Bild, für das der Schutz des § 72 UrhG in Anspruch genommen wird, muss mehr sein als eine bloße technische Reproduktion einer bestehenden Graphik. Denn der technische Reproduktionsvorgang allein begründet noch keinen Lichtbildschutz. Vielmehr ist ein Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung erforderlich, die dann zu verneinen ist, wenn ein Lichtbild oder ein ähnlich hergestelltes Erzeugnis nicht mehr als die bloße technische Reproduktion einer vorhandenen Darstellung ist.

Warum es sich nun vorliegend um ein Mehr gegenüber einen „technischen Reproduktion“ von Bildern alter Meister handeln soll, wird der BGH noch einmal abgrenzen müssen. Die Ausführungen des OLG Stuttgart dazu sind nicht ohne weiteres nachvollziehbar.

Zudem stellt sich bei einem Schutz auf rein „abfotografierte“ Bilder, die ihrerseits längst gemeinfrei sind, die Frage nach einem Widerspruch zu § 64 UrhG, der dem Zeitraum des Urheberrechtsschutzes klare Grenzen setzt. Denn faktisch bestünde für den Inhaber des frei gewordenen Originalwerkes stets die Möglichkeit es wegzusperren und nur eine selbst angefertigte Fotografie des Gemäldes zu veröffentlichen. Würde er auf diese Fotografie dann einen Lichtbildschutz nach § 72 UrhG erhalten, so wäre ein freier Zugriff der Allgemeinheit auf das Werk abgeschnitten. Der Eigentümer des Originals hätte so die Chance, ein gemeinfreies Werk für sich neu zu monopolisieren. Dieses Momentum ist vor allem deshalb kritisch zu betrachten, weil das Urheberrecht eindeutig kein Ewigkeitsrecht ist. Aus gutem Grunde erlischt es nach § 64 UrhG 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers, weil es in seinem Regelungszweck des geistigen Eigentumsschutzes in wirtschaftlicher, also verwertungsrechtlicher Hinsicht vor allem Amortisations- und Alimentationsinteressen verfolgt. Dem Schöpfer des Werkes soll es ermöglicht werden durch sein Ausschließlichkeitsrecht am Werk Lohn und Brot zu erhalten. Die Verlängerung über seinen Tod hinaus dient der weiteren Versorgung der Erben für circa zwei bis drei Generationen. Dann ist Schluss. Die Erneuerung eines Exklusivrechtes am Werk durch Reproduktion unter gleichzeitiger Zugangsbeschränkung zum Originalwerk würde diesem Ansatz zuwiderlaufen.

Daher kann man sich mit Recht auch die Frage stellen, ob bei dem Fotografieren gemeiner Werke, die das Museum vorliegend in den eigenen Räumen ausstellte, das Hausrecht vor dem Interesse der Allgemeinheit am Werkzugriff Vorrang haben soll. Das OLG Stuttgart hat auch dies mit Verweis auf die „Sans-Soucci“-Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 17.12.2010 – V ZR 45/10;    Urteil vom 01.03.2013 - V ZR 14/12) bejaht. Aber auch hier sind Fragezeichen angebracht, die der BGH wird beachten müssen. Was rechtfertigt eine Monopolisierung des Werkgenusses durch Sacheigentümer am Werkstück nach Ablauf der Schutzfrist? Freilich will man das Hausrecht eines Museumsbetreibers nicht völlig ad absurdum stellen. Grundsätzlich kann jeder Hausbesitzer darüber entscheiden, was in seinen vier Wänden erlaubt ist und was nicht. Und es ist ihm nicht verwehrt ein Eintrittsgeld für die Sichtung von Bildern und anderen Kunstwerken zu verlangen, deren Urheberrecht längst abgelaufen ist. Sein Sacheigentum am Werkstück erlaubt ihm neben seinem Hausrecht diese Maßnahme. Aber eine Fotografie von einem ausgestellten gemeinfreien Werk stört im Grunde nicht. Es beeinflusst weder den Sachbesitz, noch ist es gefährlich für die Substanz oder Unversehrtheit des Werkes oder wohlmöglich des Museums selbst. Der Museumsbetreiber, der hingegen das Fotografieren seiner Exponate per Hausrecht verbietet, stellt ganz klar ein eigenes monetäres Interesse in den Vordergrund. Er will sich die „Verbilderung“ der ihm gehörenden Werke abkaufen lassen. Spricht auch hier nicht § 64 UrhG eher dagegen?

Vorliegend wird der BGH hoffentlich auch zu der Frage Stellung nehmen, ob öffentlich-rechtlich getragene Museen, die durch die Gemeinheit - nämlich Steuergelder - finanziert werden, wohlmöglich anders zu behandeln sind, als Museen im Privatbesitz. Denn was der Gesetzgeber durch eine Schutzfristbegrenzung nach § 64 UrhG der gemeinen Hand zur freien Benutzung zurückgibt, das sollte die gemeine öffentliche Hand sich durch Verbote im Hausrecht ihrer Ausstellungen wohlmöglich nicht zurückholen dürfen.

Nicht umsonst hat der BGH in seiner Presseankündigung zur Verhandlung am 31.10.2018 vermerkt, dass es vorliegend auch um § 903 Satz 1 BGB geht. Danach kann der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Es bleibt spannend, ob der BGH § 64 UrhG insoweit als ein Recht Dritter – hier der Allgemeinheit - auf freien Zugang zu einem urheberfreien Werk zum Zwecke des Fotografierens im Sinne von § 903 BGB ansehen wird. Wir werden weiter berichten.

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