PEGIDA, das ZDF und ein Polizei-Einsatz

Presserecht/Allgemeines Persönlichkeitsrecht

Presserecht/Allgemeines Persönlichkeitsrecht

„Darf ich Sie denn mal filmen?“
Warum der Polizeieinsatz gegen ein ZDF-Team in Dresden ein schwerer Eingriff in die Pressefreiheit ist

Sechs setzen! Hätte man sich in der Polizeischule wohl anhören müssen. Wer sich die Bildaufnahmen von der Personalienfeststellung des ZDF-Teams am Rande eine Pegida-Demonstration in Dresden genau anschaut, vernimmt dort einen klaren Hinweis des Reporters Arndt Ginzel, man sei ein Presseteam, welches hier eine Berichterstattung von der Demonstration mache. Dass ein Polizeibeamter daraufhin erwidert „dies spielt hier erstmal keine Rolle“ ist freilich ein Schuss ins Kontor. Denn das oberste Gebot der staatlichen Ordnungsbehörden besteht darin die Grundrechte umfassend zu schützen und anzuwenden. Hat der Polizeibeamte Art. 5 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) hier nicht gekannt oder falsch ausgelegt? Wir gehen der Sache in einem kurzen Überblick auf den Grund.

Ein Pegida-Demonstrant hatte sich über eine Filmaufnahme seiner Person aufgeregt und verkündete vor laufender Kamera lauthals, dies sei eine Straftat. Zugleich beschwert sich ein Demonstrant, unklar ob derselbe, bei der Polizei, der Kameramann aus dem ZDF-Team habe ihn beleidigt. Daraufhin hielt eine Gruppe von mehreren Polizisten das ZDF-Team fest, um die Personalien festzustellen. Das weitere Filmen der Demonstration durch das ZDF wurde dadurch verhindert, zumindest aber verzögert. 

Art. 5 Absatz 1 Satz 2 GG lautet: Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Zwar handelt es sich dabei nicht um ein völlig schrankenloses Grundrecht. Dies weiß jeder Bürger aus harten Kämpfen von Prominenten gegen die Ausuferung von Paparazzi-Tätigkeiten. Wer sich zu Recht in seinem Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Absatz 1 GG angegriffen sieht, kann sich gegen die Presse wehren.

Art. 5 Absatz 2 GG lautet entsprechend: Diese Rechte (nach Absatz 1) finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Man muss also in verfassungsrechtlicher Tradition die sogenannte „Schaukeltheorie“ bemühen, um die sich widersprechenden Grundrechtsinteressen der Pressefreiheit einerseits und Privatsphäre des Einzelnen andererseits hin und her schaukeln, bis ein im Lichte der grundgesetzlichen Wertung am Besten haltbares Ergebnis erzielt wird.

Das Persönlichkeitsrecht jedes Menschen ist dabei grundsätzlich ein hohes Gut, wenn es gegen das Recht auf freie Berichterstattung antritt. So kennt denn auch die Pressefreiheit ausdrückliche Grenzen. Wesentlich prominenter, als die strafbewehrte Schranke des § 201a Strafgesetzbuch (StGB), wonach bestimmte Bildaufnahmen, die den höchstpersönlichen Lebensbereich des Menschen verletzen bereits in der Herstellung verboten sind, ist dabei die Beschränkung der Pressefreiheit durch § 22 Kunsturhebergesetz (KUG). Danach dürfen alle Bilder von natürlichen Personen grundsätzlich nur mit deren Einwilligung veröffentlicht werden, soweit nicht ein Sondertatbestand nach § 23 KUG vorliegt. § 23 KUG ist insoweit eine Schranken-Schranke der Pressefreiheit nach Art. 5 GG.

Bei einer Demonstration kann man sich bereits die Frage stellen, ob nicht per se eine stillschweigende Einwilligung jedes Demonstranten für Presseberichterstattungen vorliegt. Denn jeder Demonstrant will durch Teilnahme seiner eigenen Person auf das Thema der Demonstration aufmerksam machen. Es geht ihm also um die effektive öffentliche Kundgabe seines Anliegens in einer Gruppe. Man möchte daher von einer stillschweigenden Einwilligung jedes Demonstranten für eine möglichst öffentliche Breitenwirkung seines Anliegens ausgehen. Andererseits kann es gerade das Anliegen des Einzelnen sein, in einer Menschenmasse möglichst anonym zu bleiben. Ähnlich wie sich Personen oder Unternehmen gelegentlich hinter einem Verband oder Verein verstecken, um nicht einzeln mit ihrem Interesse hervorzustechen, so kann es auch ein legitimes Interesse jedes Demonstranten sein, nicht seine Persönlichkeit mit Nahaufnahmen und Erkennbarkeit zur Verfügung zu stellen, sondern vielmehr nur mit seinem Körper als Teil der Masse wahrgenommen zu werden. Auch diese Variante ist grundsätzlich durch die Demonstrationsfreiheit geschützt. Ein Kameramann tut daher gut daran Personen, welche nicht ohnehin bereits Personen des öffentlichen Lebens oder der Zeitgeschichte sind, nicht individualisiert aus der Gruppe herauszufiltern und zu zoomen.

Trotzdem muss jeder Bürger, der an einer Versammlung teilnimmt wissen, dass im Zweifel die Pressefreiheit über sein persönliches Bedürfnis, unerkannt zu bleiben, siegt. Dies regelt § 23 Absatz 1 Nr. 3 KUG ausdrücklich. Danach ist die Einwilligung des Einzelnen in die Veröffentlichung seiner erkennbaren Person nicht erforderlich, wenn es sich um Berichte über Versammlungen, Aufzüge und ähnlichen Vorgänge handelt, an denen die dargestellte Person teilgenommen hat.

Vor diesem Hintergrund bleibt unverständlich, warum Demonstranten sich immer wieder auf Journalisten stürzen, die am Rande einer Versammlung filmen und dabei ihre reguläre Arbeit machen. Bei Pegida-Demonstrationen hat diese Unart der Presseschelte seit langem Tradition. Die Polizei täte gut daran sich zunächst ausschließlich auf solche Demonstranten zu konzentrieren, welche die ganz normale Pressearbeit bei Demonstrationen zu behindern versuchen. Dabei darf man nicht vergessen, dass Demonstranten, die sich aus der Versammlung lösen und als Einzelpersonen auf laufende Kameras zu rennen, um ihre Meinung zu verkünden, damit oft einen stillschweigenden „konkludenten“ Einwilligungstatbestand in die Verbreitung ihrer bewussten Kameraaussage setzen. In all diesen Bereichen überwiegt die Pressefreiheit und bleibt vollumfänglich geschützt.

Die Polizei hat im Nachgang versucht die Aufnahme der Personalien des ZDF-Teams mit einer angeblichen Beleidigung eines Demonstranten und dessen Strafanzeige zu rechtfertigen. Auch dies entpuppt sich schnell als Fehltritt. Polizisten müssen geschult darin sein vor Ort zu erkennen, ob ein Straftatbestand hinreichend wahrscheinlich und konkret genug vorgetragen wurde. Danach ist es schon nach allgemeiner Lebenserfahrung sehr unwahrscheinlich, dass ein seine Arbeit verrichtender Kameramann des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Verbalattacken gegen Demonstranten loslässt. Viel wahrscheinlicher ist, dass Demonstranten spontane Falschverdächtigungen bei der Polizei loswerden, um damit die Festsetzung der Presse zu provozieren. In diese Falle dürften die Polizeibeamten vorliegend getappt sein.

Eine Personalienfeststellung des ZDF-Teams war zudem auch deshalb unverhältnismäßig, weil die Polizei im Nachgang zu der Demonstration eine Personalanfrage beim ZDF in Mainz hätte vornehmen können. Zudem wurden kurz Presseausweise mit Namen vorgezeigt. Warum die Polizei auf eine aufwendige zusätzliche Personalienfeststellung der Reporter mittels amtlicher Lichtbildausweise bestand, bleibt unklar. Die Gemengelage der nun veröffentlichten Filmaufnahmen zeigt ein diffuses Bild. Ein unangenehm verschwitzter LKA-Angestellter, der im Urlaub bei der latent verfassungsfeindlichen PEGIDA mitmarschiert, um Mitarbeiter des ZDF bar jeder Vernunft und rechtlich haltlos einer Straftat zu bezichtigen. Eine verunsicherte und scheinbar grundlos agierende Gruppe von Polizisten, die einen – wie sich schnell herausstellt - zu Recht erregten Journalisten umzingelt. Und, als sei dies noch nicht genug, ein sächsischer Ministerpräsident, der sich erstaunlich schnell reflexartig schützend vor die Polizei stellt.

Die Polizei hätte vor Ort die Pressefreiheit mehr im Blick haben müssen. Hier hat sie sich bei einer, egal ob bewussten oder unbewussten, Anwendung der verfassungsrechtlichen Schaukeltheorie zwischen dem Grundrecht auf freie Presse und dem Persönlichkeitsrecht von Demonstranten offensichtlich klar verschaukelt.

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