Wettbewerblicher Schutz vor Know-How Übernahme und Nachahmung

Wettbewerbs- und Arbeitsrecht

Wettbewerbs- und Arbeitsrecht

„Das kann ich auch allein!“
Wettbewerblicher Know-How und Nachahmungsschutz im Lichte von Berufsfreiheit

Nicht selten grämt sich ein Unternehmer, wenn sein Zögling sich nach jahrelanger Betriebstreue selbstständig macht. Hatte der Arbeitgeber doch viele Jahre in den Nachwuchs investiert, ihm alles beigebracht, auf Schulungen geschickt und in alle Fertigungstechniken, sowie Kniffs und Tricks des Betriebes eingeweiht. Auch die letzte Gehaltserhöhung ist kein Jahr alt und nun legt der Mitarbeiter seine Kündigung auf den Tisch. Er gründet, nicht selten sogar mit ein paar weiteren Kollegen aus der Firma, ein eigenes Unternehmen mit einem gleichartigen Produkt- und Dienstleistungsangebot. Bei der Frage, ob der frühere Arbeitgeber aus wettbewerblicher Sicht etwas dagegen unternehmen kann, müssen verschiedene Angriffsszenarien abgeprüft werden. Dabei stellt sich heraus, dass Arbeitgeber aufgrund ihrer Frustration über die neue Freiheit des alten Teams oft zu voreilig an Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche denken, für welche nach genauer Prüfung die Messlatte recht hoch liegt. Denn die Berufsfreiheit ist in Artikel 12 grundgesetzlich gesichert und dem Prinzip der freien Marktwirtschaft ist der grundsätzlich freie Wettbewerb zu eigen.

Gehen wir vorliegend einmal davon aus, dass der frühere Mitarbeiter ein etwa gleiches Angebot im Produktions- und Dienstleistungsgewerbe anbietet wie der bisherige Arbeitgeber. Sieht man hier einmal von spezifischen geistigen Eigentumsrechten, wie z.B. Patent-, Geschmacks- und Gebrauchsmuster, Urheber- sowie Markenschutz ab, so bleiben im wesentlichen drei Stationen zu prüfen:

1.) Die arbeitsrechtliche Regelung des postvertraglichen Arbeitgeberschutzes,

2.) das neue Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen,

3.) sowie der wettbewerbliche Nachahmungsschutz nach § 4 Nr. 3 UWG. Auf Letzteren legen wir hier den Schwerpunkt.

Zunächst ist freilich immer erst die vertragliche Regelung zu beachten. Hier finden sich oft Formulierungen, wonach alle Vorgänge und Tatsachen, die einem Arbeitnehmer aufgrund seiner Stellung im Unternehmen bekannt geworden sind, dem Geheimhaltungsgebot unterliegen. Eine derartige Generalklausel dürfte rechtlich keinen Bestand haben und stößt spätestens postvertraglich auf Grenzen. Da per se nicht „alle“ Vorgänge und Tatsachen innerhalb eines Betriebes unter ein Generalgeheimnis gestellt werden können, scheitert diese Formulierung regelmäßig am Bestimmtheitsgrundsatz des § 307 Absatz 1 BGB. Auch eine geltungserhaltene Reduktion ist dann nicht möglich, der Arbeitgeber vielmehr auf gesetzlichen Ergänzungsschutz angewiesen, z.B. nach dem Geschäftsgeheimnis Schutzgesetz. Grenzt ein Arbeitsvertrag einen postvertraglichen Vertraulichkeitsschutz hingegen differenziert ab und enthält der Vertrag zudem genaue Definitionen und Einzeltatbestände, so kann die Regelung wirksam sein.

Im Falle einer Anspruchsprüfung nach dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, welches erst seit Ende April 2019 infolge einer verspäteten EU-Richtlinienumsetzung gilt, ist zu beachten, dass Voraussetzung für einen Geheimnisverrat stets ist, dass die Informationen bereits zu Zeiten des Arbeitsverhältnisses im Betrieb einem besonderen und klar erkennbaren Schutz unterlegen haben müssen. Einfach ausgedrückt: Hatte der Arbeitgeber nicht ausdrückliche und für jeden erkennbare Maßnahmen getroffen, die Informationen als geheimhaltungsbedürftig zu markieren, so kann er später nicht redlicherweise behaupten, es habe sich um schützenswerte Informationen gehandelt.

Da viele Arbeitgeber einen derartig präzisen Schutz ihrer Informationen, wie z.B. Fertigungstechniken oder Betriebsanleitungen für interne Arbeitsabläufe nicht vorsehen, stellt sich also noch die Frage eines wettbewerblichen Nachahmungsschutzes.

§ 4 Nr. 3 UWG setzt freilich ein Wettbewerbsverhältnis voraus. Der neue Selbstständige muss also in Konkurrenz zu seinem bisherigen Arbeitgeber stehen. Erst dann kann es dort zu einer Lauterkeitsprüfung von Nachahmungen kommen, wo ein vertraglich oder gesetzlich geschützter Geheimnisverrat nicht subsumiert werden kann. Beachtlich ist dabei zunächst, dass es zwar eine bunte und fast uferlose Rechtsprechung zum wettbewerblichen Nachahmungsschutz bei der sogenannten Produktpiraterie gibt. Der BGH hat hier anhand des Kriteriums der sogenannten wettbewerblichen Eigenart eine einzelfallbezogene Kasuistik entwickelt, die zuweilen an die Grenzen der Nachvollziehbarkeit stößt und aufgrund allgemeiner richterlicher Gerechtigkeitserwägungen zu einem inzwischen sehr weiten Radius des Nachahmungsverbots geführt hat.

Die Fallvariante der Nachahmung von Dienstleistungen war hingegen bisher, soweit ersichtlich, nur einmal Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung. Im Urteil „Gewohnt gute Qualität“ vom 15.02.2018 (AZ I ZR 243/16) stellte der Bundesgerichtshof zu Recht klar, dass die Messlatte für eine wettbewerbliche Eigenart von Dienstleistungen besonders hoch zu setzen ist. Vorliegend hatten sich zwei frühere Geschäftsführer eines Schädlingsbekämpfungsunternehmens selbstständig gemacht und boten nun ihrer Klientel gleichartigen „Service in gewohnt guter Qualität“ an. Anders als das Berufungsgericht sah der BGH darin kein ausreichendes Abgrenzungsmerkmal für eine wettbewerbliche Eigenart der Dienstleistung. Ebenso sei das Anbieten von Dienstleistungen als „gute und professionelle Beratung“ für sich genommen nicht wettbewerbswidrig, da keine besondere Beschreibung vorliege.

Die Entscheidung des BGH ist nicht nur zu begrüßen, weil sie auch bei der unlauteren Nachahmung von Dienstleistungen das Augenmerk auf eine klar abgrenzbare wettbewerbsrelevante Eigenart legt. Sie ist auch deshalb richtig, weil ein Eingriff in die Nachahmung von Dienstleistungen unter dem Aspekt der Berufsfreiheit grundsätzlich besonders restriktiv gehandhabt werden muss. So kann der Tischler dem Gesellen ebenso wenig aus dem Wettbewerbsrecht heraus einen eigenen Betrieb untersagen, wie der Architekt seinem Angestellten die Eröffnung eines eigenen Architektenbüros untersagen kann. Vieles ist schlichtweg berufsgenerisch und auf diesen Gebieten will das UWG den Wettbewerb ja gerade fördern und nicht unterbinden. Auch kann nicht oft genug betont werden, dass Nachahmungen im Wettbewerb nicht per se verboten, sondern grundsätzlich sogar erlaubt sind. Problematisch wird es für den Nachahmenden erst dann, wenn spezifische Unlauterkeitsmerkmale hinzukommen. Diese sind bei regulärer Aufnahme einer gleichen oder gleichartigen Tätigkeit, die sich in einem berufstypisch weiten Radius bewegt, eben nicht gegeben.    

Junge Unternehmer sollten sich daher nicht einschüchtern lassen, wenn ihre früheren Chefs mit wettbewerblichen Abmahnungen drohen, nur weil ihnen die Selbstständigkeit der Ehemaligen nicht passt.

Unser Praxistipp: Prüfen Sie bereits in der Planungsphase ihrer bevorstehenden Selbstständigkeit etwaige postvertragliche Beschränkungen aus früheren Arbeitsverträgen und deren Wirksamkeit. Lassen Sie sich von ihrem früheren Arbeitgeber nicht einschüchtern, nur weil sie in der gleichen Branche als sein neuer Konkurrent aufschlagen. Arbeitgebern raten wir zum optimalen Schutz von Betriebsgeheimnissen: Achten Sie auf eine präzise und konkrete Formulierung für postvertragliche Vertraulichkeiten. Erwägen Sie Know-How Schutz dort, wo spezifische und für Ihr Unternehmen einmalige Leistungen vorliegen.

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