Klagewelle bisher ausgeblieben: Der Auskunftsanspruch nach §§ 32d und e UrhG
Urheberrecht
„Was macht eigentlich Ihr für meine Kreativität vereinnahmtes Geld?“
Die große Klagewelle aufgrund der §§ 32d und e Urhebergesetz (UrhG) ist fast zwei Jahre nach der Urhebervertragsrechtsreform auch im Bereich der Musik bisher ausgeblieben – nicht ohne Grund
Als im März 2017 die Reform zum Urhebervertragsrecht in Kraft trat, bangte die Verwertungsindustrie vieler Kreativer, insbesondere der Schauspieler, Autoren, Regisseure, Komponisten, Musiker, Journalisten und Fotographen. Würden nun alle kommen und ihr erweitertes Recht auf Auskunft und Rechenschaft auf Gedeih und Verderb durchsetzen wollen? Waren die Unternehmen überhaupt vorbereitet, ihre Hosentaschen derart umzukrempeln, dass auch noch dem Geiger aus dritter Reihe gezeigt werden könnte, ob sich irgendwo noch ein Taler für seine Einspielung fände oder nicht?
Nun, die große Klagewelle ist bisher ausgeblieben. Verwerter sollten sich deshalb aber nicht der Vorstellung hingeben, die von ihnen geliebten und gepflegten Künstler hätten die Änderungen des Gesetzes wohlmöglich übersehen. Denn in der Kreativgemeinde hat die Reform ohne Zweifel Eindruck gemacht. Schließlich hatte sich der damalige Bundesjustizminister Heiko Maas wesentlich für die Reform eingesetzt. Und dies zu einer Zeit, in der er unter den Augen der Boulevardpresse frisch verliebt mit der renommierten Schauspielerin Natalie Wörner um die Häuser zog. Nicht auszuschließen, dass er ihr nicht nur Rosen, sondern auch neue Auskunftsansprüche bringen wollte. Inzwischen häufen sich die Anfragen zur Auslegung der §§ 32 d und e UrhG von beiden Seiten, den Urhebern und Verwertungsunternehmen.
Denjenigen Juristen alter Schule, die in der Methodenlehre noch gelernt haben, dass ein Gesetzestext immer dann mehr Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit erzielt, wenn er klare Aussagen trifft und sogenannte „unbestimmte Rechtsbegriffe“ soweit wie möglich meidet, ist der von der GroKo verabschiedete Gesetzestext in vielen Teilen ein Krampf. Dies liegt vor allem an diversen Adjektiven, die man bei Gesetzeskodifizierungen indes so weit wie möglich vermeiden sollte. Je mehr Adjektive desto größer ist das Einfallstor für eine ausufernde Kasuistik, bei der es später aufgrund einer zerklüfteten Landschaft von Einzelentscheidungen kaum noch verlässliche Leitlinien geben kann. Letztere aber braucht der freie Wirtschaftsverkehr, um Geschäftsmodelle planungssicher an den Start zu bringen.
§ 32d Absatz 1 UrhG spricht beispielsweise nicht nur von einem Geschäftsbetrieb, sondern „ordnungsgemäßen“ Geschäftsbetrieb. Es können nicht die vorhandenen, sondern nur die „üblicherweise vorhandenen Informationen“ verlangt werden. Was aber ist ordnungsgemäß und was ist „üblicherweise vorhanden“?
§ 32d Absatz 2 UrhG versucht den Begriff eines sogenannten „nachrangigen“ Beitrags auszukleiden, wendet dabei aber weitere Unbestimmtheiten an. Was ist der „Gesamteindruck eines Werkes“? Was ist ein „typischer Inhalt“?
Vollends von hinten durch die Brust geschossen wirkt die eigenartige Kompromissformel des § 32e Absatz 2 UrhG: „Für die Geltendmachung der Ansprüche nach Absatz 1 genügt es, dass aufgrund nachprüfbarer Tatsachen klare Anhaltspunkte für deren Voraussetzungen vorliegen.“
Wie würde der BGH ein Abstufungsmodell zwischen einem klaren, weniger klaren, einfachen, eher unklaren oder völlig unklaren Anhaltspunkt für die in Absatz 1 beschriebenen Sachverhalte entwickeln?
Spannend wird es vor allem bei der Frage der Verhältnismäßigkeit in § 32d Absatz 2 Nr. 2 UrhG. Zeigt sich, dass die Anfrage des Urhebers auch aus anderen Gründen als der Nachrangigkeit seines Beitrags in der Verwertung unverhältnismäßig ist, entfällt die Frageberechtigung vollends. Auch § 32e UrhG gilt dann nicht.
Bei den Leistungen von Musikern in audiovisuellen Produktionen kann dies z.B. der Fall sein, wenn diese ein Auftragshonorar von der Produktionsfirma erhalten haben, und trotz einer kollektiven Wahrnehmung ihrer weiteren Auswertungsrechte über die GEMA (Urheber) oder GVL (Interpreten) später weitere Auskunft von der Produktionsfirma verlangen. Hat die Produktionsfirma beispielweise das Filmwerk oder eine TV-Serie in das Ausland zur Ausstrahlung lizenziert, so muss es den Musikbeteiligten genügen, ihre Sendevergütungen über die ausländischen Schwestergesellschaften der GEMA und GVL zu erhalten. Für zusätzliche Auskunft und Rechnungslegung der Produktionsgesellschaft ist daneben kein Raum.
Auch Journalisten, die bestimmte Tantiemen für Zweitauswertungen von der VG-Wort erhalten, können an die Grenzen des § 32d Absatz 2 Nr. 2 stoßen, wenn sie versuchen in diese Richtung gerichtete Zweitauswertungsauskünfte von dem Verleger zu erhalten.
Nutzt indes der Primärverwerter die ihm vom Urheber umfassend eingeräumte Rechte dazu, seinerseits einer Verwertungsgesellschaft Wahrnehmungslizenzen an den Werken einzuräumen, was der Fall sein kann, wenn der Urheber nicht vorab entsprechende Rechte an die Verwertungsgesellschaft vergeben hat, so kann sich der Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch des Urhebers aus § 32e UrhG durchaus auch gegen eben diese Verwertungsgesellschaft richten. Denn § 32e Absatz 1 Nr.1 UrhG kann auf Verwertungsgesellschaften zutreffen, auch wenn deren Rechtsverständnis zwischen einem Bestimmen von Nutzungsvorgängen und einer Inkassoadministration solcher Vorgänge unterscheidet. Verwertungsgesellschaften sehen sich auf letzterem Feld. Sie sehen sich nicht als Bestimmer von Nutzungsvorgängen, auch nicht als Gestalter von Geschäftsmodellen.
In Bezug auf eine etwaige Befürchtung der Verwertungsindustrie, sich aufgrund der erweiterten Rechte der Urheber und Interpreten künftig zu sehr in die Karten schauen lassen zu müssen, Geschäftsgeheimnisse preiszugeben und Zahlen an Auskunftsteller berichten zu müssen, die im bilateralen Verhältnis zwischen zwei Verwertern strengen Vertraulichkeiten unterliegen können, lässt sich § 32d UrhG wiederum restriktiv lesen. Denn die Auskunftspflicht beschränkt sich auf die Erträge, die aus der konkreten Werknutzung folgen. Entsteht, wie zum Beispiel bei Film und Fernsehen, ein multimediales Produkt, so darf der Verwerter den Werkanteil also wohl zunächst extrahieren und entsprechend pro-ratierte Auskünfte erteilen. Es bestehen erhebliche Zweifel daran, dass der Gesetzeszweck so weit ginge und es noch verhältnismäßig wäre, wenn ein Filmkomponist sämtliche Umsätze auf den gesamten Film in allen Facetten erfragen dürfte, obgleich sein Anteil nur einen, zwar nicht nachrangingen, aber gleichwohl prozentual ins Verhältnis zu setzenden, Anteil an dem Gesamtwerk ausmacht.
Es bleibt abzuwarten, ob erste Gerichtsurteile zu den §§ 32d und e UrhG in eine gleiche Richtung steuern werden.
Praxistipp: Lassen sie sich als Urheber professionell beraten, wenn sie einen Auskunftsanspruch gegen ihren Verwerter erwägen. Als Verwerter sollten sie die neuen gesetzlichen Anspruchsgrundlagen genau prüfen, bevor sie Informationen an ihre kreativen Lizenzgeber herausgeben. Wir beraten auf beiden Seiten gerne und vermitteln.
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