Live-Streaming (vorerst) kein Rundfunk

Rundfunkrecht/Telemedienrecht

Rundfunkrecht/Telemedienrecht

Das Verwaltungsgericht Berlin erlaubt Axel Springer, trotz Empörung der Landesmedienanstalt, weiter im Live-Betrieb zu streamen.

Der Rundfunkbegriff ist im Zeitalter von Online-Streaming schwierig geworden. Noch vor wenigen Jahren wurde Streaming auf YouTube von der klassischen Fernsehklientel als Quatsch aus der Kinderstube belächelt. Doch bei der jüngeren Generation, die nun schnell erwachsen wird, hat das Streaming auf YouTube, Netflix, Amazon und anderen Kanälen längst das lineare Fernsehen verdrängt. Jeder aufgeschlossene Medienkonzern springt auf diesen Trend auf und versucht, mit redaktionellen audio-visuellen Angeboten einen Claim auf dem nicht unbegrenzten Ackerland der Medienlandschaft abzustecken. So auch die Axel Springer SE, die mit mehreren Angeboten täglich zur gleichen Zeit ein Live-Streaming veranstaltet. Zuschauer können sich dann zu einem bestimmten Zeitpunkt einschalten und bekommen Brandaktuelles serviert.

Daher fühlte sich die Landesmedienanstalt zuständig und berufen, dem Medienkonzern einen Riegel vorzuschieben, solange keine Rundfunklizenz vorliege. Gegen diese Unterlassungsanordnung klagte Axel Springer nun im Einstweiligen Verfahren mit Erfolg. Das Verwaltungsgericht Berlin (Beschluss vom 18.10.2018, Az. 27 L 364/18) erlaubt dem Konzern vorerst, weiter im Wege des Streaming zu senden.

Das Gericht hatte sich mit dem Rundfunkbegriff zu beschäftigen. Denn nur der Rundfunk steht unter dem Erlaubnisvorbehalt der Landesmedienanstalten. Nach § 2 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) liegt aber Rundfunk nur dann vor, wenn das Angebot aus einem „linearen Informations- und Kommunikationsdienst“ besteht. Dieser ist eine „für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen.“

Der Begriff der Linearität markiert nach EU-Vorgaben die Trennlinie zwischen einem „Fernsehprogramm“ und einem „audiovisuellen Mediendienst auf Abruf“. Fernsehprogramme stellen Sendungen zum zeitgleichen Empfang auf der Grundlage eines Sendeplans bereit. Demgegenüber bieten audiovisuelle Mediendienste auf Abruf Sendeformate für den Empfang aus einem Programmkatalog an, zu dem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt und auf dessen individuellen Abruf hin,. Die Bestimmung zum zeitgleichen Empfang und die Ausstrahlung entlang eines Sendeplans sind folglich keine zusätzlichen Merkmale, sondern definieren laut Gericht die Linearität.

Vorliegend stand die Ausstrahlung zum „zeitgleichen Empfang“ weniger im Fokus des Streits, da doch recht deutlich wurde, dass es Axel Springer mit seinem BILD-Live-Stream darum ging, möglichst viele Zuschauer zu einem bestimmten Live-Zeitpunkt auf einmal zu erreichen.

Intensiv setzte sich das Verwaltungsgericht hingegen mit der Frage auseinander, ob die Ausstrahlung von BILD und weiteren Formaten aus dem Konzern „entlang eines Sendeplans“ erfolge. Zurecht wies das Gericht darauf hin, dass der Begriff des Sendeplans weder im RStV selbst, noch sonst wo legal definiert ist. Seine Definition sei vielmehr zunehmend umstritten, da in der digitalen Welt die Abgrenzung zwischen zulassungspflichtigem Rundfunk und zulassungsfreien Telemedien schwierig geworden sei. Mit diesem Hinweis lenkt das Verwaltungsgericht Berlin auf die aktuelle Debatte um die Ablösung des alten Rundfunkstaatsvertrages durch einen neuen Medienstaatsvertrag, dessen Entwurfsfassung bereits bei der Rundfunkkommission liegt.  

In der Auslegung der Fachliteratur ist ein Sendeplan durch ein Zeit- und Ordnungselement gekennzeichnet und bezeichnet eine im Anfangs- und Endzeitpunkt bestimmte, zeitlich durch einen redaktionellen Plan geordnete Abfolge der ausgestrahlten Programminhalte, auf die der Nutzer weder zeitlich noch inhaltlich Einfluss nehmen kann.

Freilich lässt sich demzufolge über die Länge eines Sendeformats und Sendeplans streiten. Folgt man der jetzigen Rechtsprechung aus Berlin, so wird bei dem Live-Streaming einer einzigen Sendung, selbst wenn diese in geplanten Intervallen wiederkehrend bereitsteht, nicht ohne weiteres von einem Sendeplan ausgegangen werden können. Zumindest, und dies war für die vorliegende Entscheidung ausschlaggebend, kann man intensiv darüber streiten, ob bei einem derartigen Live-Streaming die Grenze zu einer Sendeveranstaltung bereits überschritten wird. Gerade weil diese Grenzfrage, bei der auch der Gesetzeszweck, die ratio legis,  des Rundfunkstaatsvertrages intensiv zu beleuchten ist, also der medienrechtliche Ordnungsgedanke, so schwer zu beantworten ist, möchte das Gericht die Entscheidung in einem detaillierten Hauptsacheverfahren geklärt sehen. Grund genug die Unterlassungsanordnung der Landesmedienanstalt einstweilig zu suspendieren.  

Der Ruf nach einer grundlegenden Neuordnung des deutschen Medienrechts wird unterdessen lauter. Wo Formatgrenzen durch das schnelle Voranschreiten des digitalen Siegeszuges in der Mediennutzung verschwimmen, müssen neue Tatbestände und Rechtsfolgen in praxisgerechte Kodifizierungen umgesetzt werden. Wir werden diesen Prozess weiter aktiv verfolgen.

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